Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
Gedanken versunken, die auszudrücken er noch nicht in der Lage war. Doch solange an der Heimatfront alles ruhig war, konnte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ganz der vor ihr liegenden Arbeit widmen.
Die langsam Fortschritte machte. Zunächst hatte sie hin und her überlegt, wie sie das Projekt angehen sollte, und war zu dem Schluss gekommen, dass sie sich am besten zunächst auf die sogenannten Reklamanten konzentrierten. Das waren jene Wörter, die in mittelalterlichen Handschriften am Ende jedes Bogens, oder jeder Lage, standen und dann auf der ersten Seite der nächsten Lage wiederholt wurden. Man hatte diese Technik benutzt, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Teile, wenn sie alle illustriert waren und zum eigentlichen Buch gebunden werden sollten, in der richtigen Reihenfolge zusammengefügt wurden. Zudem war es eine praktische Schriftprobe, eine gute Möglichkeit für sie, um zu sehen, wie der Schreiber quasi nebeneinander die gleichen Wörter zweimal geschrieben hatte.
Gleichwohl war es eine aufreibende Arbeit, nicht nur, weil die enge Schrift extrem schwer zu entziffern war. Überdies waren Teile des Buches verblasst oder abgenutzt. Es stimmte zwar, dass der größte Teil immer noch bemerkenswert gut erhalten und zu erkennen war. Die Farben stachen auf den Seiten hervor, und das Gold glänzte metallisch im Licht. Doch nach beinahe tausend Jahren konnte man nicht erwarten, dass irgendetwas vollkommen intakt und unbeschädigt war.
Elvis kehrte mit zwei Caffè Latte und einer Supermarkttüte zurück, gefüllt mit Sandwiches, Fruchtsäften, Joghurtbechern, Keksen und wer weiß noch alles. »Ich glaube, ich habe einen kleinen Rappel gekriegt«, sagte er.
Beth war das ziemlich egal. Elvis galt als der Wunderknabe in der Computerwelt des Getty, und was immer es brauchte, um ihn bei der Stange zu halten, war gut investiert. Außerdem war es nett, seine jungenhafte Begeisterung zu erleben, als Beth ihm eine fotokopierte Seite des uralten Buches nach der anderen gezeigt und ihm erklärt hatte, was das alles zu bedeuten hatte. Oder zumindest, was sie glaubte , was es zu bedeuten hatte.
Sie hatte festgestellt, dass selbst die Reklamanten ein wenig seltsam waren. Hin und wieder lief der Text ein wenig zu kurz oder zu lang, nur damit, zumindest ihrer Mutmaßung nach, auf jeden Fall bestimmte Wörter unten auf der Seite standen. Und obwohl es nicht die Wörter waren, die sie dort unten erwartet hätte, drängte sich ihr der Eindruck auf, dass der Schreiber sich die größte Mühe gegeben hatte, um sicherzustellen, dass sie genau am Ende der Seite landeten.
Während Elvis mit einer Hand aß und mit der anderen die Schriftzeichen auf dem Bildschirm verschob, überflog Beth die vorläufige Liste der Reklamanten, in der Reihenfolge, in der sie bislang im Buch aufgetaucht waren. Und da fiel ihr etwas Komisches auf. Die ersten beiden Reklamanten, die den Abschluss der ersten Lage bildeten, passten genau zu den dreien, mit denen die zweite Lage abschloss. Sie bildeten den Anfang eines Satzes, der, grob aus dem mittelalterlichen Latein übersetzt, lautete: hierhergebracht/in dieses Land .
»Hä?«, sagte sie leise.
Elvis, der direkt neben ihr am Schreibtisch saß, sagte: »Wieso hä? Habe ich etwas falsch gemacht?«
»Nein, gar nichts«, sagte Beth. »Mir ist nur gerade etwas Seltsames aufgefallen.«
»Erzähl’s mir«, sagte Elvis und nahm einen weiteren großen Happen von dem Sandwich, das roch, als sei Pesto darin.
»Kannst du mir schnell eine Liste mit allen Reklamanten erstellen, die wir bisher übersetzt haben, in der richtigen Reihenfolge?«
»Kein Problem.«
Seine Finger flogen über die Tastatur, und eine Minute später sagte er: »Sie wird gerade ausgedruckt. Soll ich sie holen?« Die Drucker für mehrere Rechner standen in einem Raum ein Stück den Flur hinunter, worüber Beth sich normalerweise jedes Mal ärgerte. Doch im Moment bot es ihr die Gelegenheit, von der Pestowolke fortzukommen, und sie war froh, ein paar Schritte gehen zu können.
»Iss nur in Ruhe auf. Ich gehe schon.«
Sie stand auf und ging hinaus in den Korridor. Sie hörte, wie Mrs Cabot in einem Büro ein paar Türen weiter jemandem eine Predigt hielt. Warum hatte Gott die Bürokraten erschaffen? Sie schlich in den Druckerraum, fand ihr noch warmes Blatt oben auf einem Stapel weiterer, nach Verträgen aussehender Papiere in der Ablage. Sie musste sie gar nicht weiter ansehen, um zu wissen, worum es darin ging. Das Wort
Weitere Kostenlose Bücher