Knochenjagd (German Edition)
ich aus dem Auto und lief die Straße hoch. Das Geräusch der auf Kies rollenden Reifen übertönte meine Schritte. Oder Nellie hörte schwer.
Ich sprach sie an, als ich knapp zwei Meter hinter ihr war. »Nellie.«
Sie drehte sich um. Ihr Gesichtsausdruck sprang von Überraschung zu Verwirrung und blieb dann bei Beunruhigung hängen.
»Bitte.« Ich hob beide Hände. »Können wir uns unterhalten?«
»Sie haben versucht, in mein Haus einzubrechen.«
»Nein. Wirklich nicht.«
»Ich habe Sie gesehen. Ich habe meinen Cousin angerufen. Er ist sofort gekommen und hat Sie im Garten gefunden.«
»Ich hatte nicht vor, ins Haus einzubrechen.«
»Warum verfolgen Sie mich?«
»Ich habe es Ihnen im Restaurant gesagt. Ich mache mir Sorgen wegen Annaliese Ruben.«
»Warum liegt Ihnen so viel an ihr?«
Volltreffer. Warum lag mir so viel an ihr? Ruben hatte wahrscheinlich vier Babys getötet. Wollte ich sie beschützen? Oder wollte ich sie einfach kriegen, um sie wegen Mordes anzuklagen?
»Ich sehe nicht gerne, dass Leute verletzt werden«, sagte ich.
Darauf schien sie sich ein bisschen zu entspannen.
»Ist Annaliese bei Ihnen im Haus?«
»Ich hab’s Ihnen doch gesagt, ich kenne sie nicht.«
»Ist sie im Gold Range?«
Ihre Finger umklammerten den Griff des Wagens fester.
»Warum waren Sie heute Morgen im Hotel?«
»Mein Mann arbeitet dort.«
»Josiah.«
Wieder flackerte Angst in ihren Augen auf. »Lassen Sie mich in Frieden.«
»Können Sie mir sagen, warum Sie im Gold Range waren?«
»Wenn ich das tue, hören Sie dann auf, mich zu belästigen?«
»Ja.«
Sie zögerte. Überlegte sie, was sie sagen sollte? Wie sie sich am besten davonmachen konnte? »Ich hatte meinen Hausschlüssel vergessen. Mein Mann hatte einen.«
Ich war skeptisch. Das erklärte ihre überstürzte Flucht aus dem Explorer nicht. Aber mir fiel keine angemessene Frage ein.
Snooks Erwähnung von Horace Tyne heute Morgen hatte mir ein kleines Triumphgefühl beschert. Ich hatte das Gefühl, eine Spur entdeckt zu haben. Eine mögliche Verbindung zu Annaliese Ruben. Tatsächlich hatte ich aber, abgesehen von einem Namen – der möglicherweise gar keine Bedeutung hatte –, nichts Neues erfahren. Und das machte mich wütend.
Also hielt ich Wort. Ich fragte nichts mehr. »Mein Name ist übrigens Temperance Brennan.« Ich gab ihr meine Karte. »Annaliese ist möglicherweise in Gefahr. Wenn Sie von ihr hören, rufen Sie mich bitte im Explorer an.«
Als ich wieder im Camry saß, schaute Ryan mich durch seine Sonnenbrille hindurch fragend an. Glaubte ich zumindest. Ich schüttelte den Kopf.
»Ollie schickt Rainwater hierher.«
Ich nickte.
Schweigend beobachteten wir noch fünf Minuten. Dann: »Ist das nicht der Junge, mit dem du vorhin geredet hast?«, fragte er.
Ich folgte Ryans Blick. Binny saß mit überkreuzten Beinen auf einem Felsbrocken am hinteren Ende der Ragged Ass. Sein Fahrrad lag neben ihm im Gras. Sein Blick war auf uns gerichtet.
Ich ließ mein Fenster herunter und winkte. Binny winkte nicht zurück.
»Sein Name ist Binny.«
»Komischer Kerl.«
»Ich mag ihn. Er hat Mumm.«
»Als er die Fiftieth runtergerast ist, sah das nicht sehr nach Mumm aus.«
»Dein Ausbruch hat ihm eine Heidenangst eingejagt.« Ich winkte noch einmal.
Binny schwang sich auf sein Rad und fuhr davon.
Vielleicht hatte Ryan recht. Mein Umgang mit Menschen ließ zu wünschen übrig.
»Was hast du damit gemeint, der Junge könnte von Nutzen sein?«
»Als ich Nellie nach Ruben fragte, nannte Nellie einen Namen. Horace Tyne. Binny behauptet, er kennt ihn.«
Ryan wedelte mit den Fingern. Red weiter.
»Binny sagte mir, dass Tyne ein sehr aktiver Umweltschützer ist.«
»Und sonst?«
»Sonst nichts mehr. Dein Anfall hat ihn davongejagt.«
Ryan schob sich die Sonnenbrille auf die Stirn und tippte eine Nummer in sein Handy. Legte auf. Wählte noch einmal. Legte auf. »Okay. Versuchen wir’s mal auf die einfache Art.« Ryan tippte auf ein paar Tasten. Ziemlich viele Tasten. »Bingo«, sagte er schließlich, den Blick auf das winzige Display gerichtet.
»Du hast ihn mit Google gefunden.«
Ryan ignorierte mich.
»Bin ich nahe dran?«
»Hautnah. Horace Tyne leitet eine Organisation namens Freunde der Tundra. Der Website nach, die ziemlich beschissen ist, versucht die Organisation, einheimische Pflanzen und Tiere des Ökosystems Tundra in den Northwest Territories zu erhalten.«
Ryan las und blätterte weiter.
»Wie’s aussieht, versucht Tyne, eine
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