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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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seinem Zimmer. Ihr braucht nicht anzuklopfen, er hört euch sowieso nicht - hat Kopfhörer auf.«
    Wir gehen die Treppe hoch.
    Ash schiebt mich vor sich her. »Du schaust zuerst nach. Nicht dass Howie gerade mit seinem kleinen Howie spielt.«
    Ich klopfe an. Keine Antwort. Ich drehe den Türknauf und spähe ins Zimmer. Howie sitzt an seinem Schreibtisch, den Rücken zur Tür. Der kleine Howie ist sicher verpackt.

    »Alles klar.« Ich trete ein.
    Howies Zimmer ist ein einziges Schmuddelmuseum. Überall Bücher. Im Regal, in Stapeln, als Lawinenhaufen auf dem Boden. An der Decke klebt eine Sternenhimmel-Tapete, die im Dunkeln leuchtet. Auf einem Regal stehen etliche Einweckgläser mit verrostetem Deckel, in denen Exemplare von so ziemlich jedem Fisch, jedem Frosch, jedem Krebs und jeder Schlange stecken, die im See oder am Ufer leben. Alle schwimmen blass in einem Formaldehyd-Bad. In verschiedenen offenen Behältern liegen die Schalen von Süßwassermuscheln und Schneckenhäuser, eine Auswahl hier vorkommender Gesteinsproben, und in einer angeschlagenen Teetasse sind Bruchstücke von verschiedenen Vogeleierschalen.
    Vom obersten Regalbrett wacht Agent Orange über der Sammlung - eine orange gestreifte, ausgestopfte Katze, die früher mal Howies Lieblingshaustier war. Sie ist in liegender Position ausgestopft worden, die Pfoten unter dem Körper gefaltet, der Schwanz um die Hinterbeine gewunden, aber mit erhobener Schwanzspitze, als hätte sie ihn eben durch die Luft sausen lassen.
    »Howie!«, versuche ich, mir über die Kopfhörer hinweg Gehör zu verschaffen.
    Er beugt sich zu seinem Computer nach vorn. Auf dem Bildschirm sind nebeneinander mehrere Tierspuren zu sehen. Howie hört mich nicht, also schiebe ich mich in sein Sichtfeld.
    Nach Luft japsend, springt er auf und reißt sich die Kopfhörer runter. »Mann, hast du mich erschreckt.«
    »Sorry, ich hatte geklopft und gerufen, aber du hast mich nicht gehört. Was hörst du denn da?«

    »Nichts. Weißes Rauschen. Das neutralisiert jedes Geräusch bis vierzig Dezibel.«
    »Mann, außer dir würde sich keiner atmosphärische Störungen reinziehen.«
    »Hi, Howie«, sagt Ash und tritt hinter ihm vor.
    Er zuckt wieder zusammen.
    »Ich bin’s doch nur.« Sie legt ihm die Hand auf die Schulter. »Entspann dich.«
    »Verdammt!« Er wirbelt mit seinem Stuhl herum. »Sonst noch jemand hier?«
    Ash zuckt mit den Schultern. »Könnte sein, dass sich eine Terroristen-Schläferzelle in deinem Kleiderschrank versteckt. Oder ist das nur deine Gummipuppensammlung?«
    Er grinst. »Die hab ich nur für wissenschaftliche Zwecke.«
    »Klar doch.« Ash nimmt einen gläsernen Briefbeschwerer in die Hand. Ein dicker schwarzer Käfer ist darin eingefroren.
    »Das ist ein Speckkäfer«, erklärt Howie. »Hat eine Schwäche für fauliges Fleisch.«
    »Lecker.«
    Ich blinzele zu seiner Deckenlampe hoch, die mir unnatürlich hell vorkommt. »Was hast du da eigentlich für Glühbirnen drin? Tausend-Watt-Dinger? Ich komm mir vor wie im Inneren eines Röntgengeräts.«
    »Oh«, sagt Howie mit einem Schulterzucken. »Das ist nur wegen meiner saisonal-affektiven Störung. Oder SAD.«
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Der Typ hat ständig irgendeine neue Marotte.
    »Das kommt von den kurzen Wintertagen«, erklärt er. »Zu wenig Sonne. Wenn man morgens aufsteht, ist es noch dunkel.

    Wenn man von der Schule nach Hause kommt, ist es schon wieder dunkel. Das deprimiert mich. Die Megawatt-Birnen sollen helfen, indem sie das Sonnenlicht nachahmen und so das Gehirn austricksen.«
    »Im Moment brutzeln sie mir eher die Hornhaut weg.« Ich sehe über seine Schulter hinweg zu den aufgeschlagenen Büchern hin, die neben seiner Tastatur liegen. Biologie. Anatomie. Und ein zoologischer Spurenführer.
    »Wo ist Pike?«, fragt Ash.
    »Mit Dad auf dem Schießplatz beim Stützpunkt.«
    »Wann will er eigentlich einrücken?«, frage ich. »Ich meine, zählt er schon die Tage, bis er achtzehn ist?«
    »Die nehmen ihn nie im Leben«, sagt Ash.
    »Wieso denn nicht? Der Typ ist doch ein Army-Fanatiker.«
    »Und Kategorie Acht«, sagt sie.
    »Ein was?«
    Army-Bälger haben ihre eigene Army-Bälger-Sprache. Manchmal verstehe ich nur die Hälfte von dem, was sie reden.
    »Kategorie Acht«, übersetzt Howie für mich, »heißt untauglich aufgrund einer mentalen Störung.«
    »Das trifft Pikes Zustand ziemlich genau«, sage ich.
    Howie zuckt mit den Schultern. Mag sein, dass Pike Kategorie Acht ist, aber er ist auch

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