Knochenkälte
kneife die Augen fest zu und stütze mich auf dem Waschbecken ab. Zwinge mich, langsam zu atmen, versuche, die Erinnerungen wegzuwischen wie den Dampf vom Spiegel eben. Der Panik Herr zu werden, bevor sie mich ins tiefe Wasser zieht. Es dauert eine Minute, aber dann schaffe ich es, meine Gefühle auf die Nulllinie zu drücken. Die Welle schwarzer Trauer wogt zurück ins Meer.
Als es an der Badezimmertür klopft, zittere ich beinahe gar nicht mehr. Ich zucke zusammen und reiße die Augen auf. Mein erschrockenes Spiegel-Ich starrt mir entgegen.
»Danny«, dringt Dads gedämpfte Stimme durch die Tür. »Telefon.«
Ich muss schlucken, bevor ich antworten kann.
»Okay, ich komme.«
Ich stoße mich vom Waschbecken ab und vermeide es, das Häufchen Elend im Spiegel anzusehen, das aussieht wie ich.
elf
Was soll das werden, willst du mich filzen oder was?« Ash schaut mich über die Schulter finster an.
Ich sitze hinter ihr auf dem Motorrad und versuche rauszufinden, wie ich mich an ihr festhalten kann, ohne den Eindruck zu erwecken, ich würde sie begrapschen wollen. Nicht dass ich’s nicht gern versuchen würde. Aber sie ist die Fahrerin.
»Hier.« Sie packt meine nackten Hände mit ihren behandschuhten und klemmt sie direkt unterhalb ihrer Brust fest. »Und rutsch näher ran, sonst schlittern wir den ganzen Weg auf dem Hinterrad runter.«
Es ist kurz vor elf am Samstagvormittag. Ash war am Telefon gewesen, als ich aus der Dusche kam. Sie fragte, ob ich Lust auf einen kleinen Ausritt hätte. Ich sagte zu, wandte aber ein, dass ich erst bei Howie vorbeischauen müsste. Der hatte mich gleich frühmorgens mit einem Anruf aus einem tiefen und zum Glück traumlosen Schlaf geweckt. Er habe einiges rausgefunden, was unsere geheimnisvollen Spuren anginge.
Ich kuschle mich eng an Ash, drücke meinen Unterleib gegen ihr Steißbein. Wahrlich nicht der schlechteste Ort. »Was ist mit Helm?«
Ash zuckt mit den Schultern und setzt ihre Killerlady-Sonnenbrille auf. »Willst du etwa ewig leben? Man muss doch den Wind im Gesicht spüren. Die Geschwindigkeit. Leben, bevor man stirbt.«
Wir lassen den Parkplatz jenseits des Jachthafens hinter uns.
Der Tag ist grau, es riecht nach Schnee. Die Felder liegen unter einer dünnen Puderdecke versteckt. Die Schneeketten an den Motorradreifen beißen in den Schnee und das schwarze Eis auf der Straße, wir haben genug Grip, um nicht im Graben zu landen.
Das dröhnende Vibrieren des Motorrads, gekoppelt mit dem engen Reiben an Ashs Rücken, während wir über Hubbel und Schlaglöcher hinwegfegen, erzeugt ein erhabenes Gefühl in meiner Jeans. Ich verspüre den starken Drang, die Hände aus ihrer Umklammerung oberhalb von Ashs Nabel zu lösen und sie ungehemmt wandern zu lassen.
Auch wenn wir dann stürzen, na und? Das wär’s mir wert. Hat sie nicht gesagt, leben, bevor man stirbt?
Ich muss mich beherrschen, um nicht mit der Zunge über ihren Nacken zu lecken. Im Moment ist die Stelle zwischen meinen Beinen so ziemlich der glücklichste Ort der Welt.
Sprotzend kommen wir vor Howies Haus zum Stehen. Ich springe ab und gehe mit dem Rücken zu Ash ein paar Schritte weiter, während sie das Motorrad auf den Ständer schaukelt. Die Wölbung vorne in meiner Hose ist nicht zu übersehen. Ich mache den Reißverschluss meiner Jacke auf und lasse mich vom arktisch kalten Tag durchdringen. Zweitbeste Methode, gleich nach einer kalten Dusche.
Ash geht die Stufen hoch und klopft an die Tür, was mir weitere zwei Sekunden schenkt, um abzuschwellen.
Eine dünne rothaarige Frau öffnet die Tür.
»Hi, Brenda«, sagt Ash. »Wir wollen zu Howie.«
»Ashley, also wirklich, Kind, sieh dir mal dein Gesicht an. Jedes Mal wenn du herkommst, hast du neue Wunden und Narben. Deine Mutter muss doch außer sich vor Sorge sein.« Brenda lässt uns rein und sperrt die Kälte aus.
»Na ja, schönheitsköniginnentauglich war ich eh noch nie«, sagt Ash.
»Sag so was nicht. Du hast so einen hübschen Knochenbau. Findest du nicht auch, Danny?«
Ich grinse, während Ash das Gesicht verzieht. Ihr rechtes Auge ist nach dem gestrigen Kampf immer noch blutunterlaufen, das Lid geschwollen.
»Ja, sie ist echt toll gebaut.«
Ash stößt mir den Ellbogen in die Rippen.
Brenda ist ein einziges Nervenbündel. Vielleicht wird man so, wenn man mit einem früheren Drill Sergeant verheiratet ist, der auf Minenräumer umgeschult hat. Jetzt verstehe ich, woher Howie seine ständige innere Unruhe hat.
»Er ist oben in
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