Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
Verwendung embryonaler Stammzellen äußerst ablehnend gegenüber.«
»Der übliche Scheiß von der Heiligkeit des Lebens?«
»Das ist deren Argument.«
»Und G.W. Bush hat das übernommen?«
»Nur zum Teil. Er versucht eine Gratwanderung. Er hat die staatliche Förderung auf Forschungsprojekte eingeschränkt, die bereits vorhandene Stammzelllinien benutzen.«
»Wissenschaftler, die Regierungsgelder brauchen, dürfen also nur mit Stammzellen experimentieren, die bereits jetzt irgendwo in Labors wachsen?«
»Oder mit Stammzellen aus adultem Gewebe.«
»Kann man damit dasselbe machen?«
»Meiner Meinung nach?«
»Nein. Sag mir, was das Politbüro denkt.«
Nix da. Das war’s. Zurück zu meiner Zeitschrift.
Nach ein paar Sekunden: »Okay. Gib mir den Stammzellen-Grundkurs, aber die Kurzversion.«
»Aber wir einigen uns auf höfliches Zuhören als Grundbedingung?«
»Ja, ja.«
»Jede der zweihundert Zelltypen im menschlichen Körper entsteht aus einem von drei Keimblättern, dem Endoderm, dem Mesoderm und dem Ektoderm.«
»Innere, mittlere und äußere Schicht.«
»Hervorragend, Andrew.«
»Vielen Dank, Ms. Brennan.«
»Eine embryonale Stammzelle, oder ES-Zelle, ist pluripotent, wie das so schön heißt. Das bedeutet, dass sie in der Lage ist, aus jeder der drei Schichten Zelltypen entstehen zu lassen. Stammzellen reproduzieren sich selbst während der gesamten Lebensspanne eines Organismus, bleiben aber unspezifisch, bis sie das Signal erhalten, sich in etwas Spezielles zu verwandeln – Bauchspeicheldrüse, Herz, Knochen, Haut.«
»Vielseitige kleine Kerle.«
»Der Begriff ›embryonale Stammzelle‹ umfasst eigentlich zwei Typen: solche, die von Embryonen kommen, und solche, die aus fötalem Gewebe stammen.«
»Das sind die einzigen Quellen?«
»Im Augenblick ja. Um ganz genau zu sein: Embryonale Stammzellen werden aus Eiern ein paar Tage nach der Befruchtung entnommen.«
»Und bevor das Ei in den Uterus der Mutter eingepflanzt wird.«
»Richtig. Zu diesem Zeitpunkt ist der Embryo eine Hohlkugel, die man Blastozyste nennt. Embryonale Stammzellen werden der inneren Schicht dieser Kugel entnommen. Embryonale Keimzellen stammen von fünf bis zehn Wochen alten Föten.«
»Und die erwachsenen?«
»Adulte Stammzellen sind nicht spezialisierte Zellen, die in speziellen Geweben vorkommen. Sie haben die Fähigkeit, sich selbst zu erneuern und sich in all die spezialisierten Zelltypen des Gewebes, aus dem sie stammen, zu entwickeln.«
»Und die sind?«
»Knochenmark, Blut, die Hornhaut und Netzhaut des Auges, Hirn, Skelettmuskulatur, Zahnpulpa, Leber, Haut –«
»Verwenden wir die nicht schon?«
»Tun wir. Adulte Stammzellen aus Knochenmark und Blut wurden umfassend untersucht und werden therapeutisch verwendet.«
»Warum verwendet man nicht einfach die großen Jungs und lässt die Embryos und Föten in Frieden?«
Ich zählte die Punkte an meinen Fingern ab.
»Adulte Stammzellen sind selten. Sie sind schwierig zu identifizieren, zu isolieren und aufzubereiten. Es gibt viel zu wenige davon. In einer Nährlösung vermehren sie sich nicht unendlich, wie embryonale Stamm- und Keimzellen es tun. Und im Augenblick gibt es keine Linie adulter Stammzellen, die pluripotent ist.«
»Also sind embryonale Stamm- und Keimzellen die, um die’s wirklich geht.«
»Genau.«
Ryan schwieg einen Augenblick. Dann: »Was könnte man damit machen, wenn man viele davon zur Verfügung hat?«
»Heilungschancen für Parkinson, Diabetes, chronische Herzkrankheiten, Nierenkrankheiten im Endstadium, Leberversagen, Rückenmarksverletzungen, Multiple Sklerose, Alzheimer –«
»Unendliche Weiten.«
»Genau. Ich kann einfach nicht verstehen, warum irgendjemand etwas gegen diese Art von Forschung haben könnte.«
Die babyblauen Augen wurden groß, die Stimme wurde predigerhaft, und ein langer Finger deutete auf meine Nase.
»Es ist ein erster Schritt, Schwester Temperance, hin zu dem Abgrund von Schwangerschaften, die ausschließlich empfangen wurden zur Verwendung von Embryos, woraus eine arische Nation entsteht, die sich der Vermehrung muskulöser, blonder Männer und geschmeidiger, langbeiniger Frauen mit großem Busen verschrieben hat.« Damit wurde unser Flug aufgerufen.
Auf dem Weg nach Guatemala unterhielten wir uns über gemeinsame Freunde und über gemeinsame Erlebnisse. Ich erzählte Ryan von Katys Psychologieprojekt mit den Käse-Cracker-Katzen und ihrer Suche nach einem Ferienjob.
Ryan fragte mich nach
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