Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
meiner Schwester Harry. Wir lachten beide, als ich ihm von ihrer letzten Romanze mit einem Rodeoclown aus Wichita-Falls berichtete. Er brachte mich über seine Nichte Danielle auf den neuesten Stand, die ausgerissen war, um auf den Straßen von Vancouver Schmuck zu verkaufen. Wir stellten fest, dass die beiden viel gemeinsam hatten.
Schließlich überwältigte mich die Müdigkeit. Mit dem Kopf auf Ryans Schulter schlief ich ein. Es war zwar eine Tortur für meinen Hals, fühlte sich aber warm und sicher an.
Bis wir in Guatemala City unser Gepäck abgeholt, uns durch die Masse der Träger, die uns die Taschen unbedingt wieder abnehmen wollten, gezwängt und ein Taxi gefunden hatten, war es neun Uhr dreißig. Ich nannte dem Fahrer mein Hotel. Er fragte Ryan nach dem Weg dorthin. Ich beschrieb ihn.
Um zehn Uhr fünfzehn kamen wir schließlich an. Während ich bezahlte, lud Ryan das Gepäck aus. Als ich um eine Quittung bat, sah der Fahrer mich an, als hätte ich eine Urinprobe verlangt. Murmelnd zog er einen Fetzen Papier aus dem Spalt zwischen den Sitzen, kritzelte etwas darauf und streckte ihn mir entgegen.
Der Rezeptionist begrüßte mich mit Namen und hieß mich willkommen. Sein Blick wanderte zu Ryan.
»Ein Zimmer oder zwei?«
»Eins für mich. Ist drei-vierzehn noch frei?«
» Sí, Señora .«
»Dann nehme ich das.«
»Und der Señor?«
»Das müssen Sie den Señor fragen.«
Ich schob meine Kreditkarte über den Tresen, schrieb mich ein, hob meine Taschen auf und ging nach oben. Gerade hatte ich meine Kleidung aufgehängt, meine Toilettensachen aufgestellt und ein Bad einlaufen lassen, als das Telefon klingelte.
»Keine Chance, Ryan. Ich gehe ins Bett.«
»Heißt er nicht Andrew Ryan?«, verspottete Galiano mich.
»Frag ihn selbst. Du hast ihn hierher eingeladen.«
»Genau wie dich. Man nennt mich auch Vielen Dank Galiano.«
»Ich habe eine fast zwölfstündige Reise mit Detective Ego hinter mir. Ich brauche Schlaf.«
»Ryan klang heute wirklich ein bisschen nervös.«
Die Verbindungsbrüder hatten also bereits miteinander gesprochen. Sofort überkam mich dieser seltsame Schauer.
»Er hat einen Mann erschossen.«
»Ja.«
»Ryan und ich wollen morgen bei Aida Pera, der kleinen Freundin des Botschafters, vorbeischauen. Und dann werde ich mich mit Patricia Eduardos Mutter unterhalten. Sie behauptet, sie hätte neue Informationen.«
»Du klingst skeptisch.«
»Sie ist merkwürdig.«
»Wo ist der Vater?«
»Tot.«
»Ist sie bereit, eine Speichelprobe abzugeben?«
Ich hatte Galiano vor meiner Abreise aus Montreal gebeten, das in die Wege zu leiten. Jetzt, da wir möglicherweise eine Identifikation hatten, war es möglich, das DNS-Material zu vergleichen. Ein Genprofil aus Señora Eduardos Speichel wurde mit dem verglichen, das wir aus den fötalen Knochen bei dem Paraíso-Skelett erstellt hatten. Da mitochrondrische DNS nur über die mütterliche Linie weitergegeben wird, mussten das Baby, seine Mutter und die Großmutter identische Sequenzen haben.
»Schon passiert. Und ich habe die fötalen Knochen aus Mateos Labor abgeholt.«
»Hat Señora Eduardo die Skizze gesehen, die ich gefaxt habe?«
»Ja.«
»Akzeptiert sie, dass es Patricias Skelett ist?«
»Ja. Wie auch alle auf dem Revier.«
»Sie muss am Boden zerstört sein.«
Ich hörte ihn seufzen. »Ay, Dios. Das ist die traurigste Nachricht, die eine Mutter je hören wird.«
Einen Augenblick sagte keiner etwas. Ich dachte an Katy. Und stellte mir vor, dass Galiano an Alejandro dachte.
»Na ja. Willst du mitkommen?«
Ich wollte.
»Was treibt Pera denn so?«
»Seit ihrem Schulabschluss vor zwei Jahren arbeitet sie als Sekretärin. Die Sache mit der Schule hat Chantale also auf jeden Fall nicht erfunden.«
»Und was sagt Pera über Specter?«
»Wir haben das Thema noch nicht angeschnitten. Ich dachte mir, wir machen das lieber persönlich.«
»Wann?«
»Acht.«
»Bring Kaffee mit.«
Ich legte auf, zog mich aus und stieg ins Bad. Und sprang sofort wieder heraus, rutschte auf den Fliesen aus und schlug mir die Hüfte am Waschbecken an. Das Wasser war so kalt, dass es fast eine Eisschicht gebildet hätte. Fluchend wickelte ich mich in ein Handtuch und nestelte an den Hähnen. Aus beiden kam nur kaltes Wasser.
Zitternd und immer noch fluchend hüpfte ich unter die Decke.
Nach einer Weile ließ das Zittern nach.
Ryan rief nicht an.
Als ich einschlief, wusste ich noch immer nicht so recht, ob mich das erleichterte oder
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