Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
wartete.
»Die Eduardos sind stolze Besitzer von zwei Boxern und einer Katze. Lucy Gerardis Familie hat eine Katze und einen Schnauzer. Die de la Aldas sind keine Tierfreunde. Und auch der Botschafter und sein Clan nicht.«
»Patricia Eduardos Freund?«
»Ein Frettchen namens Julio.«
»Claudia de la Aldas?«
»Ist allergisch.«
»Wann sind Ihre Jungs von der Spurensicherung mit den Proben fertig?«
»Montag.«
»Was hatte der Bezirksstaatsanwalt zu sagen?«
Ich hörte, wie er Luft durch die Nase einzog.
»Sein Büro wird das Skelett nicht herausgeben.«
»Kommen wir irgendwie in die Leichenhalle?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Der Typ wollte wirklich mein bester Freund sein und war am Boden zerstört, weil er nicht über den Fall sprechen konnte.«
»Ist das normal?«
»Ich hatte noch nie einen Staatsanwalt, der mauerte, aber ich hatte auch noch nie mit dem hier zu tun.«
Ich dachte eine Weile darüber nach.
»Was meinen Sie, was das zu bedeuten hat?«
»Entweder der Kerl hat einen Fetisch für Vorschriften, oder ihm sitzt jemand im Genick.«
»Wer?«
Galiano antwortete nicht.
»Die Botschaft?«, fragte ich.
»Was haben Sie vor?« Ich hörte eine dunkle Wachsamkeit in seiner Stimme.
»Jetzt?«
»Nein, für den Abschlussball.«
Ich verstand jetzt, warum Ryan und Galiano sich gut verstanden hatten.
Ich schaute auf die Uhr. Fünf Uhr vierzig. Eine freitagabendliche Ruhe hatte sich über das Haus gelegt.
»Es ist zu spät, um hier noch was Neues anzufangen. Ich fahre zurück in mein Hotel.«
»Ich hole Sie in einer Stunde ab.«
»Wozu?«
»Caldos.«
Ich wollte schon ablehnen, stellte mir dann aber das Festmahl vor, das ich auf meinem Zimmer einnehmen müsste.
Ach, was soll’s.
»Mein Kleid ist blau.«
»Okay.« Verwirrt.
»Ich bevorzuge ein Handgelenksbukett.«
»Gespendet von einem Bürger mit einem Herz für Pflanzen.« Galiano hielt mir zwei an ein blaues Gummiband geheftete Stiefmütterchen hin.
»Gespendet?«
»Das Band kostet extra.«
»Brokkoli?«
»Spargel.«
»Ganz reizend.«
Autos hupten und drängelten, als wir zum Café Gucumatz schlenderten. Ein frühabendlicher Schauer hatte sich eben gelegt, und die Luft roch nach feuchtem Beton, Benzin, Erde und Blumen. Hin und wieder stieg uns der pappige Maisgeruch von tamal oder chuchito in die Nase, wenn wir an einem Straßenverkäufer vorbeikamen.
Wir teilten uns den Bürgersteig mit vielen anderen. Paare auf dem Weg in ein Restaurant oder eine Bar. Junge Angestellte auf dem Heimweg von der Arbeit. Einkaufende. Freitagabend-Bummler. Eine Brise wehte Krawatten über Schultern und drückte Röcke an Beine und Hüften. Über uns hoben und senkten sich Palmwedel mit leisem Knistern.
Das Gucumatz präsentierte sich in Techno-Maya, mit dunklen Holzbalken, Plastikflora und einem künstlichen Teich mit einer Bogenbrücke. Fresken zierten die Wände, und die meisten stellten den Gott des Volkes der Quiché dar, der dem Lokal seinen Namen gegeben hatte. Ich fragte mich, was Gefiederte Schlange wohl von diesem Merchandising halten würde, sagte aber nichts.
Kerzen und Fackeln beleuchteten den Raum, in den man eintrat wie in ein Maya-Grab. Während meine Pupillen sich weiteten, kreischte ein Papagei Begrüßungen auf Englisch und Spanisch. Ebenso ein Mann in weißem Hemd, schwarzer Hose und Schürze.
»Hola, Detective Galiano. Hallo. ¿ Cómo esta?«
»Muy bien, Señor Velásquez.«
»Wir haben Sie sehr lange nicht mehr gesehen.«
Ein riesiger Schnurrbart wucherte über Velásquez’ Lippen, bog sich an den Mundwinkeln nach unten und dann wieder nach oben, als wollte er nach seiner Nase greifen. Ich dachte an einen Zirkusdirektor.
»Arbeit bis über beide Ohren.«
Velásquez schüttelte verständnisvoll den Kopf.
»Es ist ja so schlimm mit der Kriminalität heutzutage. Überall. Überall. Es ist ein Privileg für die Bürger dieser Stadt, Sie auf diesem Posten zu haben.«
Noch ein trauriges Kopfschütteln, dann nahm Velásquez meine Hand und drückte sie sich an die Lippen. Seine Gesichtsbehaarung fühlte sich an wie Stahlwolle.
»B ienvenido, señorita. Eine Freundin von Detective Galiano ist auch eine Freundin von Velásquez.«
Er ließ meine Finger los, zog beide Augenbrauen hoch und zwinkerte Galiano theatralisch zu.
» Por favor. Mein bester Tisch. Kommen Sie. Kommen Sie.«
Velásquez führte uns zu seinem so gerühmten Platz am Teich, drehte sich um und strahlte Galiano an. Der Detective zeigte mit dem Kopf in
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