Knochenpfade
drückte ein paar Tasten auf der Konsole, und sanfte Jazzklänge erfüllten das Innere des Wagens. “Wir haben ungefähr fünf Stunden Interstate vor uns. Wie wär’s, wenn wir beim goldenen M im Drive-in vorbeifahren und uns ein paar Egg McMuffins genehmigen?”
“In einem Escalade mit einschmeichelnder Jazzmusik? Klingt großartig.”
“Ganz, ganz pflegeleicht”, kommentierte er. “Das gefällt mir.”
Maggie wartete, bis Wurth den Wagen vom Flughafengelände manövriert hatte, bevor sie ihn mit Fragen löcherte.
“Hast du seit gestern Abend noch irgendetwas erfahren?”
“Sie hatten schon alles ausgepackt.” Er warf ihr über die Gläser seiner Sonnenbrille einen Seitenblick zu. “Tut mir leid. Ich hätte früher daran denken sollen. Ich bin es nun mal nicht gewohnt, mich mit abgetrennten Körperteilen zu befassen.”
“Mach dir nicht zu große Sorgen deshalb. Ich bin sicher, sie haben sich ans Protokoll gehalten.”
Maggie musste unwillkürlich an Tullys Bemerkung denken. Dass sie langsam Expertin auf diesem Gebiet wurde. Es gehörte nicht gerade zu den Punkten, die sie ihrem Lebenslauf gern hinzufügen würde.
“Es stellte sich jedenfalls raus, dass es fünf Päckchen sind: ein männlicher Torso, ein Fuß und drei Hände.”
“Linke oder rechte?”
“Wie bitte?”
“Die Hände und der Fuß. Waren es die linken oder die rechten?”
Diesmal grinste er verlegen.
“Tut mir leid, da muss ich wieder passen. Hab nicht daran gedacht, zu fragen.” Er schüttelte den Kopf. “Ich dachte immer, mein Job wäre abwechslungsreich. Aber bei dir geht ja weit mehr ab.”
“Drei Hände? Also mehr als ein Opfer.”
“Sind wir jetzt über die Trophäen des Täters gestolpert oder über die Reste?”
Maggie zuckte die Schultern und lehnte sich in dem gepolsterten Ledersitz zurück. Die Klimaanlage des Wagens arbeitete lautlos und kühlte das Innere so leicht, wie die Jazztöne den Raum erfüllten.
“Eine Kühlbox dieser Größe könnte auch als schwimmender Sarg fungieren, der das Ganze weiter auf See hinausträgt. Wenn der Deckel nicht fest verschlossen ist, werden sich Raubfische über die Reste hermachen und so die Spuren vernichten. Aber die Plastikfolie könnte bedeuten, dass es nicht vorgesehen war, den Kühler mitsamt Inhalt loszuwerden. Wenn ich mir das alles genau angesehen habe, werde ich mehr dazu sagen können. Wird es möglich sein, den Fundort zu besichtigen?”
“Mir wurde versichert, dass es kein Problem wäre.”
“Und der Kühler?”
“Wartet auf dich. Die Päckchen sind allerdings bereits beim Gerichtsmediziner. Der wird sie sich morgen früh ansehen. Und ja, er wartet auf dich, damit du dabei sein kannst. Du wirst kaum auf Gegenwehr stoßen. Wenn überhaupt, dann eher auf Desinteresse. Jetzt, wo der Hurrikan erwartet wird, hat die Polizei ganz andere Sorgen.”
“Ein Sturm ist wichtiger als ein frei herumlaufender Killer?”
Während Wurth in den Parkplatz bei McDonald’s einbog, warf er ihr einen Seitenblick zu. “Du hast wohl noch nie einen Hurrikan erlebt, was?”
“Merkt man das?”
“Wie viele haben deine Mörder zerhackt? Sechs Leute? Ein Dutzend im Lauf von sechs Monaten? Vielleicht über ein paar Jahre? Isaac hat bereits innerhalb von achtundvierzig Stunden siebenundsechzig Menschen umgebracht. Diesmal, meine Liebe, denke ich, wird wohl mein Killer deinen übertrumpfen.”
9. KAPITEL
Pensacola
Liz Bailey hantierte in der Küche herum und bemühte sich, das Frühstück vorzubereiten. Dabei schwor sie sich, die Dinge zu besorgen, die sie hier nicht finden konnte. Seit ihrer Highschoolzeit wohnte sie nicht mehr bei ihrem Vater. Ihre Schwester war bis zu ihrer Heirat mit Scott in diesem Haus geblieben. Das war vor zwei Jahren – genug Zeit für ihren Vater, alles so zu arrangieren, dass nur er sich zurechtfand.
Sie war vorübergehend hier eingezogen, weil die Unterkunft, die man ihr im Zuge ihrer Versetzung zugesagt hatte, erst in zwei Monaten für sie frei werden würde. Jetzt, während sie nach dem Toaster suchte, fragte sie sich, ob sie das überhaupt so lange aushielt.
Sie drehte das Radio lauter, als der lokale Wetterbericht gesendet wurde.
“Es wird erwartet, dass Hurrikan Isaac heute auf Kubas Westküste trifft. Vergangene Nacht hat der Sturm über Grand Cayman getobt. Häuser wurden überflutet, Dächer abgedeckt und Bäume entwurzelt. Es heißt, dass mehr als die Hälfte der Wohnhäuser auf Grand Cayman beschädigt wurden. Aber Isaac hat
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