Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
Schneidezähne nach.
DeMaura Montouthe, die Hauptkandidatin für die unbekannte Tote Nummer drei, war einundfünfzig, nach den Maßstäben der Straße ein Fossil. Auf dem zehn Jahre alten Polizeifoto, das Moe Reed aufgetrieben hatte, war ein runzliges, hohlwangiges Gesicht mit schweren Tränensäcken zu sehen, das von einem platinfarbenen Vogelnest auf ihrem Kopf gekrönt wurde. Das Leben, das DeMaura Montouthe geführt hatte, war der direkte Weg zum geistigen und körperlichen Zusammenbruch. Sie sah aus wie weit über sechzig.
Aber sie hatte ihre sämtlichen Zähne behalten.
War sie genetisch vom Glück begünstigt? Oder war die Erhaltung ihrer Zähne ein letzter Fetzen Eitelkeit und das Ergebnis sorgfältiger Pflege?
Ich suchte nach kostenlosen zahnärztlichen Niederlassungen im L.A. County, fand acht und fing sofort an zu telefonieren. Jetzt stellte ich mich mit meinem Titel vor.
Bei Nummer vier, einer ambulanten Stadtteilklinik unter Federführung der zahnmedizinischen Fakultät an der Universität, hatte ich Erfolg.
Sie war an der Rose Avenue, südlich des Lincoln Boulevard, also von Selena Bass’ Garagenwohnung aus zu Fuß zu erreichen.
Wieder nur eine kurze Autofahrt bis zur Bird Marsh.
Ich fragte die Rezeptionistin, wann Ms. Montouthe zum
letzten Mal da gewesen war. Weiter kam ich mit dem »Doktor« nicht.
»Wir haben sie in den Akten, das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.«
»Und wer ist ihre Zahnärztin?«
»Dr. Martin. Sie hat einen Patientin.«
»Wann ist sie frei?«
»Sie ist den ganzen Nachmittag beschäftigt - darf ich Sie in die Warteschleife legen?«
»Nicht nötig.«
Das Western District Community Adjunct Dental Health Center war ein umgebautes Geschäft, das zwischen einer esignereisdiele und einem Laden für edle Secondhandkleidung lag. Hübsche Menschen strömten zu den beiden Nachbarn. Vor der weit geöffneten Tür der Klinik hingen zwei obdachlose Männer herum, rauchten und lachten. Die Habseligkeiten des einen türmten sich auf dem Gehsteig. Der andere hatte eine Zahnprothese in der Hand und wieherte mit schwarzem Mund. »Die ham mich gut hingekriegt, Mr. Lemon!«
Der mit den Einkaufstüten sagte: »Lass mich mal probiern!«
»Gib mir’ne Suppendose!«
»Yeah!«
Sie unterbrachen ihren Wortwechsel, als sie mich kommen sahen. Zwei rissige Hände versperrten mir den Weg, als sie mich gleichzeitig anbettelten.
»Frühstücksgeld, Professor?«
»Es ist bereits Nachmittag, Mr. Lemon. Pfannkuchen fürs Volk !«
»Pulver fürs Volk!«
Abklatschen und raues, rasselndes Gelächter.
Ich gab jedem einen Fünfer, worauf sie johlten und beiseitetraten. Als sie die gleiche Nummer bei einer Frau in Leggings versuchten, die mit einer Tüte mit zwei Kugeln aus der Eisdiele kam, sagte sie nur: »Zischt ab!«
Im aquamarinblauen Wartezimmer der Klinik saß eine schwergewichtige Frau mit furchtsamen Augen, die ein plärrendes Baby auf dem Arm hatte und einem alten Knacker mit hohlen Wangen, der im Halbschlaf zusammengesunken war, verstohlene Blicke zuwarf. Seine Kleidung war schmutzig. Mit ihm hätten sie draußen die Drei Amigos geben können. In der einen Ecke hockte ein dürrer, schlaffer Irokese um die zwanzig, mit Brandzeichen am Arm, einem fehlenden Schneidezahn und rachsüchtigem Blick.
Die Rezeptionistin war niedlich, proper und blond. Alles an ihr, was ihr schwarzes Tanktop sehen ließ, war glatt und braun. Sie erinnerte sich an meinen Namen und stellte ihr Lächeln ab.
»Dr. Martin ist noch beschäftigt, Sir.«
»Ich warte.«
»Es kann aber eine Weile dauern.«
»Sagen Sie ihr bitte Bescheid, wenn sie eine Pause macht, dass DeMaura Mountouthe möglicherweise tot ist.«
»To…« Ihre Hand zuckte zum Mund. »Was für ein Doktor sind Sie denn?«
Ich zeigte ihr meine Dienstmarke, die mich als Berater des LAPD auswies.
Ihre Lippen bewegten sich. Sie sah aus, als wäre ihr schlecht. »Oh mein Gott. Moment.« Sie stürmte durch eine Hintertür.
»Jeder geht mal drauf«, nölte der Junge mit der Irokesenfrisur.
Faye M. Martin, Dr. med. dent., war um die dreißig und sah hinreißend aus. Sie hatte elfenbeinfarbene Haut, ein herzförmiges Gesicht, schimmernde rot-braune Haare, glänzende, dunkle Augen und eine Figur, die auch ein weißer Kittel nicht tarnen konnte.
Ich stellte eine verblüffende Ähnlichkeit mit Robin fest - sie hätte Robins jüngere Schwester sein konnte -, und Gott helfe mir, aber ich spürte ein Ziehen unterhalb der Taille.
Ich
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