Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
zuverlässig. Aber die Telefonnummer, die sie hinterlassen hatte, war nicht mehr gültig, und ich hatte keine Möglichkeit, sie zu erreichen.«
»Ich fand es erstaunlich, dass sie ihre Zähne nicht verloren hat.«
»Sie hatte sehr lange Wurzeln, viel Platz für allerlei Sünden«, sagte Faye Martin. »Ein anderer Zahnarzt hat ihr das mal gesagt, vor Jahren, und sie war stolz darauf. Ebenso auf ihren Namen. ›Mon touthe , das ist Karma, Doc. Ich bin die Beißerkönigin‹, hat sie gesagt. Na ja, gesundheitlich hatte sie nicht allzu viel Grund, stolz zu sein.«
»Welche körperlichen Probleme hatte sie?«
»Alle möglichen«, sagte Faye Martin. »Arthritis, Bursitis, ab und zu akute Pankreatitis, Leberbeschwerden, mindestens einmal Hepatitis A und, soweit ich weiß, die üblichen Geschlechtskrankheiten. Sie war nicht HIV-positiv, wenigstens dem ist sie entgangen. Nicht dass es jetzt noch eine Rolle spielt.«
»Wohin haben Sie sie wegen dieser Beschwerden überwiesen?«
»An die Marina Free Clinic. Ich habe dort angerufen, um festzustellen, ob sie es durchgezogen hat. Es stellte sich heraus, dass sie nur hinging, um sich ihre Rezepte geben zu lassen, aber zu keiner einzigen Nachuntersuchung.«
»Sie hat dort niemandem vertraut«, sagte ich.
Faye Martins braune, von langen Wimpern gesäumte Augen gingen mit mir in Blickkontakt. Ihre Wangen waren rosig. »Ich nehme an, ich habe mich ohne Zulassung auf Ihrem Fachgebiet betätigt.«
»Gut so. Sie sind der erste Mensch auf unserer Liste, der etwas über sie weiß. Bislang konnten wir weder Verwandte noch Freunde auftreiben.«
»Das kommt daher, weil sie keine Freunde hatte. Jedenfalls hat sie das behauptet. Sie sagte, sie mag keine Menschen, ging am liebten allein ihres Wegs. Sie bezeichnete sich als einsames böses Mädchen. Wurde von ihrer Familie verstoßen, als sie noch in Kanada lebte.«
»Wo genau in Kanada?«
»Alberta.«
Ich lachte. »Uns hat man gesagt, dass sie aus Alabama stammt.«
»Hey, ein A ist ein A«, versetzte Faye Martin.
»Warum wurde sie verstoßen?«
»Alle in der Familie waren Farmer, gläubige Fundamentalisten. DeMaura hat aber nichts Näheres dazu erzählt. Sie kam her, um sich die Zähne reinigen zu lassen, plauderte ein bisschen, und ich habe zugehört. Das kommt öfter vor, als Sie denken.« Sie strich sich Haare aus dem Gesicht. »Ich habe beim Zahnarztstudium keine große psychologische Ausbildung erhalten, könnte aber ein bisschen mehr gebrauchen.«
»Steht auf der Karte irgendwas, das uns helfen könnte, sie besser kennen zu lernen?«
»Die offiziellen Unterlagen beziehen sich nur auf Zähne, Zahnfleisch und Gaumen, alles andere, was DeMaura mir erzählt hat, blieb vertraulich. Aber ich mache Ihnen eine Kopie. Wenn Ihr forensischer Odontologe Zeit hat, kann er einen offiziellen Vergleich vornehmen. Wenn nicht, schicken Sie mir alles, was Sie haben, dann mache ich das.«
»Besten Dank. Und was genau blieb vertraulich?«
»Zum Beispiel, womit sie ihren Lebensunterhalt verdient hat. Sie wollte mir von Anfang an klarmachen, dass sie ein ›böses Mädchen‹ war. Dass sie nur für Geld mit Männern schlief - das war nicht ihre Ausdrucksweise. Aber ich möchte damit nicht andeuten, dass es bei unseren Gesprächen eine große Rolle gespielt hat. Meistens war es bloß albernes Geplauder. Sie kam her, gab sich irgendwie naiv, lachte über irgendeinen Witz, den sie auf der Straße gehört hatte, versuchte ihn nachzuerzählen, schaffte es aber nie, worauf wir beide losprusteten. Einen Moment lang vergaß ich dann immer, was - oder wer - sie war, und es war so, als wäre man
mit einer Freundin zusammen. Mädchengeschäker eben. Aber bei ihrem letzten Besuch vor fünfzehn Monaten war es anders. Zunächst einmal sah sie besser aus. Sie hatte hübsches Make-up aufgelegt - nicht das irre Zeug, das sie immer bei der Arbeit trug. Kam in anständiger Kleidung, mit sauberen, gekämmten Haaren. Nichts konnte all die Jahre eines harten Lebens tilgen, aber an diesem Tag bekam ich einen Eindruck davon, wie sie hätte aussehen können, wenn die Sache anders gelaufen wäre.«
»Das einzige Bild, das ich von ihr gesehen habe, war ein Polizeifoto«, sagte ich.
Faye Martin runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass DeMauras Gesicht gut geschnitten und symmetrisch war. Im Grunde genommen war sie eine gut aussehende Frau, Dr. Delaware. An diesem Tag konnte man das erahnen. Ich sagte ihr, wie hübsch sie aussehe, und erkundigte mich, ob sie etwas
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