Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochensplitter

Knochensplitter

Titel: Knochensplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S MacBride
Vom Netzwerk:
Südufer des Dee, hoch genug gelegen, um einen Panoramablick über Aberdeen zu gewähren. Wer wollte da noch behaupten, Verbrechen lohne sich nicht? Der große Garten erstreckte sich bis zu einer fernen Baumreihe, und ein schwarz-gelber Aufsitzmäher tuckerte über den Rasen wie eine tieffliegende Wespe, gesteuert von einem Berg von Mann, der mit grimmiger Miene auf dem kleinen Sitz hockte. Er war von hünenhafter Statur – nicht nur dick, sondern auch groß und breitschultrig; und sein Gesicht war ein Mosaik aus Narbengewebe und unregelmäßigen Bartflecken.
    Wee Hamish seufzte. »Der Gedanke, dass Sie und er einander an die Kehle gehen, schmerzt mich. Ich wünsche mir wirklich, dass Sie beide das Kriegsbeil begraben.«
    Aber sicher – und es war nicht allzu schwer zu erraten, in wessen Schädel Reuben es gerne vergraben würde.
    »Ich glaube, fürs Vergeben und Vergessen ist er einfach nicht der Typ.«
    Der alte Mann nickte, was den schlaffen Hautsack unter seinem Kinn erzittern ließ. »Da haben Sie vermutlich recht. Aber ich werde irgendwann nicht mehr da sein, Logan, und wenn Sie beide Ihre Differenzen nicht beilegen können, dann kann es nur auf eine Weise enden …« Er legte die Fingerspitzen an die Fensterscheibe. »In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht. Was mein Vermächtnis sein wird.«
    Wee Hamish leckte sich die blasslila Lippen. »Also finanziere ich kommunale Projekte; ich richte Stipendien ein, um unterprivilegierten jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen; ich unterstütze Familien in Afrika …« Er nahm noch einen Schluck Whisky, ohne den Blick von seinem Garten und der grimmigen mechanischen Wespe zu wenden. »Wissen Sie, sosehr ich ihn auch mag – Reuben neigt dazu, ein wenig … impulsiv zu handeln. Verstehen Sie mich nicht falsch, er ist geradezu leidenschaftlich loyal, ein Mann, wie man sich keinen besseren an seiner Seite wünschen könnte; einer, der einfach tut, was getan werden muss – aber eine gute Führungspersönlichkeit muss Optionen abwägen, muss bisweilen unangenehme Entscheidungen treffen; muss vielleicht Kompromisse eingehen. Und darf nicht einfach mit einer abgesägten Schrotflinte drauflosballern.«
    Wee Hamish drehte sich um und tippte Logan mit einem krummen Finger an die Stirn. Seine Haut war trocken wie Pergament. »Zuerst der Kopf.« Der Finger bohrte sich in Logans Brust. » Dann das Herz.« Der alte Mann ballte die Finger zu einem lockeren Knäuel. »Und zuallerletzt die Fäuste.« Er schüttelte den Kopf und brachte damit den Kinnsack wieder ins Wackeln. »Reuben – Gott segne ihn – kennt nur Fäuste.«
    »Mr. Mowat, ich –«
    »Das ist natürlich das Problem, nicht wahr? An wen übergebe ich alles, wenn ich einmal abtreten muss?« Er berührte wieder die Scheibe. »Ich hatte einmal einen Sohn. Ein prächtiger Bursche, aber … von seiner Veranlagung her nicht geeignet für dieses Geschäft. Ein Motorradunfall hat ihn uns genommen, da war er achtzehn. Und für Juliette und mich war es da schon zu spät, um es noch einmal zu versuchen. Wir waren zu alt, alle beide. Keine Kraft mehr.«
    »Also, eigentlich wollte ich –«
    »Es hat mich betrübt, von Ihrer jungen Freundin zu hören. Ich habe Blumen geschickt – ich hoffe, Sie haben nichts dagegen. Ein Krankenhaus ist so ein hässlicher Ort, finden Sie nicht? Ein Wunder, dass dort überhaupt jemand wieder gesund wird.«
    Woher zum Teufel wusste Wee Hamish von Samantha? Es stand ja noch nicht einmal in den Zeitungen.
    »Danke.«
    »Und wenn Sie irgendetwas brauchen …« Wee Hamish lachte in sich hinein – ein feuchtes, rasselndes Geräusch. »Natürlich brauchen Sie etwas. Sonst wären Sie ja nicht hier. Sie wollen denjenigen, der Ihre Wohnung in Brand gesteckt hat. Sie wollen Rache.«
    Logan wandte den Blick ab und räusperte sich.
    Wee Hamish legte ihm die Hand auf den Arm. »Oh, keine Sorge, ich bin nicht beleidigt. Warum sollten Sie sonst einen kranken alten Mann besuchen, hm?«
    »Shuggie Webster. Ich will wissen, wo er ist.«
    »Aha. Ja, nun, ich denke, dass wir in dieser Sache durchaus etwas für Sie in die Wege leiten können.«
    »Ich … Etwas muss Ihnen aber klar sein – wenn Sie das tun, heißt das noch nicht, dass ich Ihre Marionette bin.«
    Wieder dieses Glucksen. »Logan, glauben Sie mir bitte, wenn ich Ihnen versichere, dass ich nicht den Wunsch habe, irgendjemanden zu meiner ›Marionette‹ zu machen. Gewiss, der eine oder andere unter Ihren Kollegen steht auf meiner

Weitere Kostenlose Bücher