Knochensplitter
auf den Tisch, dann schau ich’s mir mal an.«
Logan betrachtete den Edelstahltisch mit den Ablaufrinne an den Seiten und der Brause zum Abspülen des Bluts. »Ich … Nee, lassen Sie mal. Ist nichts weiter.«
»Ach, nun stellen Sie sich nicht so an.« Sie lächelte. »Ich hab noch nie einen Patienten verloren.«
»Schon mal einen gerettet?«
Ein Seufzer. »Guter Einwand.« Sie lehnte den Mopp an die Wand und ging zu einem Laptop, der ganz allein auf einer blitzblanken Arbeitsfläche stand. »Kleine Mädchen zwischen vier und acht …« Ihre Finger klackerten über die Tasten. »Darf ich wissen, warum Sie fragen?«
Sparen Sie sich den dramatischen Ton, Sergeant. Was hatten Sie denn geglaubt, wo die Kidnapper das Ding herhatten – von Zeh und A vielleicht?
»Ich hab da oben gesessen und gewartet, während Ihre Kollegen die Füße eines kleinen Jungen mit einem Dutzend Stichen genäht haben, und ich habe mich gefragt: Wo könnte man wohl an den Zeh eines toten kleinen Mädchens herankommen?«
»Entzückend.« Sie schüttelte den Kopf, dass die orangefarbenen Locken flogen. »Wenn Sie also an tote kleine Mädchen denken, falle ich Ihnen als Erstes ein?«
»Hatten Sie welche hier? In den letzten zwei, drei Wochen? Sie müssten Morphium und Thiopental bekommen haben.«
Sie beugte sich vor und starrte auf den Monitor des Laptops. »Das grenzt es ein bisschen ein … Hier haben wir eine: weiblich, fünf Jahre alt, wurde mit Unterleibsschmerzen eingeliefert. Ist auf dem OP -Tisch gestorben.« Ein Seufzer. »Armes kleines Ding.«
Auf der Stereoanlage lief jetzt All the Time in the World.
Logan humpelte auf sie zu. »Könnten wir einen DNS -Test machen? Um festzustellen, ob es ihr Zeh war, den sie uns geschickt haben?«
»Jetzt erinnere ich mich an sie. So ein hübsches kleines Mädchen. Als wir sie aufgeschnitten haben, war sie voller Zysten und Krebsgeschwüre … Fünf Jahre alt.«
»Sie haben doch sicher noch Gewebeproben, nicht wahr? Wir könnten –«
»Sie ist es nicht.«
»Aber wenn wir überprüfen –«
»Sie ist es nicht.« Die RMA trat zurück und deutete auf den Bildschirm.
Ein Foto füllte den Raum neben einer Auflistung von Obduktionsergebnissen aus: ein kleines Mädchen, das auf dem Sektionstisch lag, die Augen mit Klebeband verschlossen, den Beatmungsschlauch noch im Mund. Ihre Haut hatte die Farbe staubigen Schiefers, ausgelaugt und blutleer.
Die RMA klappte den Laptop zu. »Ausgeschlossen, dass die Entführer einen Zeh von ihr als den eines weißen Mädchens ausgegeben haben könnten.«
»So habe ich das nicht gemeint.« Tief durchatmen. Ruhig bleiben.
»Und wie haben Sie es gemeint, Sergeant?« Superintendent Napier formte die Finger zu einem Zelt und stützte das Kinn auf die Spitzen. Er lächelte, die dunklen Augen hinter den Brillengläsern weit aufgerissen. Sein Schreibtisch war so aufgestellt, dass er mit dem Rücken zum Fenster saß, was bedeutete, dass der für Besucher, Bittsteller und Menschenopfer vorgesehene Stuhl zur Sonne hin ausgerichtet war. Das Licht verwandelte Napiers roten Haarschopf in einen feurigen Heiligenschein, während sein schwarzer Dienstanzug sich als dunkle Silhouette vor dem strahlend blauen Himmel abzeichnete.
Logan kniff die Augen zusammen. »Es fand sich einfach keine Gelegenheit, den Vorfall zu melden. Nachdem ich mir den Kopf angeschlagen hatte …« Er hob die Hand und rieb sich eine Stelle hinter dem Ohr, um die Lüge zu untermauern.
»Ah ja. Natürlich. Detective Constable Rennie erwähnte … wo haben wir es denn?« Der Superintendent nahm ein Blatt Papier aus seinem Eingangskorb und peilte es an seiner langen, spitzen Nase vorbei an. »›Als ich ihn abholte, wirkte er sehr verwirrt und hatte Probleme, die Sätze richtig zu Ende zu bringen. Ich kann mir vorstellen, dass er vielleicht eine Gehirnerschütterung hatte.‹« Das Blatt wanderte wieder in den Korb. »Jemand, der sehr zynisch veranlagt ist, könnte meinen, dass Sie beide sich das ausgedacht haben, um von Ihrer Schuld abzulenken, finden Sie nicht, Sergeant?«
»Wann sind Sie das letzte Mal von einem Rottweiler angefallen worden?« Oder mit Ihrem eigenen Bürostuhl erschlagen?
»Und ich nehme an, es lag an dieser angeblichen ›Gehirnerschütterung‹, dass Sie zwanzig Minuten zu spät zu Ihrem Termin erschienen sind?« Napier schwenkte seinen Stuhl hin und her, und grelles Sonnenlicht blitzte in Logans Augen: hell, dunkel, hell, dunkel. »Wir hatten jetzt mehrere Monate lang nicht
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