Knochenzeichen
tatsächlich Zeit, jedes Foto genau zu studieren, ehe sie langsam den Kopf schüttelte und die Bilder zurückgab. »Nein. Im Sommer und im Herbst kommen hier immer massenhaft Leute vorbei. Gibt es irgendeinen Grund, warum ich sie erkennen sollte?«
»Eigentlich nicht«, sagte Cait, schon halb zum Gehen gewandt. »Ich will nur so viele Läden wie möglich in der Gegend abklappern und dort dieselbe Frage stellen. Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben.«
Casey Teames blickte leicht verwirrt drein, doch es war klar, dass ihre Aufmerksamkeit weitgehend von ihrer Tochter und deren Begeisterung für den neben ihr arbeitenden Jungen gefesselt war. »Kein Problem.«
Cait verließ den Laden und bahnte sich einen Weg zwischen den zur Hälfte besetzten Tischen auf dem Gehsteig, um zum nächsten Laden zu gelangen, einem kleinen, voll gestopften Geschäft für Lederwaren. Der Besitzer, ein hagerer und redseliger Mann namens Jacob Beales, nahm sich wesentlich weniger Zeit als Casey Teames für die Fotos und wesentlich mehr dafür, Cait seine Artikel anzupreisen.
»Die besten Lederwaren in der ganzen Umgebung, das wird Ihnen jeder bestätigen.« Er griff nach einer braunen Wildledertasche und versuchte sie ihr in die Hand zu drücken. »Fühlen Sie mal. Hirschleder. Auf einem Country Fair bezahlen Sie vielleicht weniger, aber dafür finden Sie den Verkäufer nie wieder, falls doch etwas nicht in Ordnung ist. Ich garantiere für alles, was ich verkaufe. Dreißig Tage und Geld zurück.«
Die Türglocke bimmelte, und Cait nutzte die Ablenkung, um sich rasch wieder nach draußen zu verziehen.
An den Souvenirladen nebenan konnte sie sich noch erinnern. Sie hatte bei ihrem letzten Bummel auf der Main Street ausgiebig in seine Schaufenster gesehen. Nun stieß sie die Tür auf und trat ein. Drinnen waren mehrere Kunden.
Mit einem schnellen Blick zum Ladentisch sah sie eine Frau mit hochgesteckten grauen Zöpfen an der Kasse stehen, während eine zweite, etwa zwanzig Jahre jüngere, einem Paar half, sich zwischen zwei Gemälden auf Leinwand zu entscheiden.
Cait beschloss, die Zeit zu nutzen, um die Kunstwerke in den Wandregalen zu betrachten. Doch rasch erkannte sie, dass nichts in den Auslagen auch nur entfernt an die auf den Schulterblättern aufgetragenen Zeichnungen erinnerte. Nicht dass sie – wie sie sich im Stillen eingestehen musste – den Stil auf einem größeren Format zwangsläufig wiedererkannt hätte. Doch wenigstens wollte sie den Ladeninhabern die Großaufnahmen zeigen, die sie von ein paar der Zeichnungen gemacht hatte.
»Miss Fleming. Haben Sie sich doch entschlossen, ein Bild zu kaufen?«
Beim Klang der ihr bekannt vorkommenden Stimme drehte sie sich um und lächelte, als sie Jeffrey Russo hinter sich stehen sah. »Ich schaue mich nur ein bisschen um. Und Sie? Suchen Sie noch einen Laden, in dem Sie Ihre Arbeiten ausstellen können?«
»Ich kann ja jetzt schon nicht schnell genug malen, um meine Galerie zufriedenzustellen«, erwiderte er. Heute trug er zerknitterte Wandershorts, Birkenstocks und ein Hemd mit Button-down-Kragen. Mit einer Handbewegung wies er auf seine Verlobte auf der anderen Seite des Ladens. »Erinnern Sie sich an Candi Montrose? Sie überlegt gerade, ob sie ein Angebot für den Laden hier abgeben soll. Meine erste Wahl wäre er ja nicht, aber schließlich ist sie diejenige mit dem Kopf für Zahlen. Und laut ihren Berechnungen ist das Geschäft trotz seines begrenzten Inventars äußerst erfolgreich.«
Cait musterte die Frau einen Moment lang. Der Laden besaß durchaus einen gewissen Charme, aber irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass Candi ihre Tage darin verbrachte und schwierige Kunden bediente. Sie erinnerte Cait an ihre Mutter. Obwohl die beiden Frauen sich nicht ähnlich sahen, legten sie ein ähnlich majestätisches Auftreten und eine gewisse Anspruchshaltung an den Tag. Etwas, das ausstrahlte, dass sie für etwas Besseres geboren und ihre Erwartungen an das Leben nie ganz erfüllt worden waren.
»Und wie läuft’s mit Ihren Ermittlungen? Ich gebe zu, dass mich die Sache so sehr interessiert, dass ich nach sämtlichen Neuigkeiten lausche, die ich aufschnappen kann. Dass jetzt am Mimosa Creek Knochen gefunden wurden, war ja absolut schockierend.«
Nun richtete sich Caits ganze Aufmerksamkeit auf den Mann neben ihr. »Waren Sie schon mal dort? An der heißen Quelle?«
Der pensionierte Kunstprofessor schüttelte den Kopf. »Candi ist nicht so naturbegeistert. Stehen
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