Knochenzeichen
Ausgänge aus der Kammer. Lediglich einen langen Riss im Stein an einer Seite, etwa zweieinhalb Zentimeter breit, der die Quelle für die leichte Feuchtigkeit an jener Wand hätte sein können.
Trotz einer peniblen Untersuchung der Kammer fand sie nichts, was das Bergungsteam hinterlassen hätte. Dieses Wissen flößte ihr etwas mehr Vertrauen gegenüber Sheriff Andrews’ Truppe ein. Es war immer gut zu wissen, dass die Beweismittel, anhand deren sie ihre Schlüsse ziehen würde, durch kompetente Polizeiarbeit gewonnen worden waren.
Sie steckte das Thermometer wieder ein und zog ein paar Asservatentüten aus Plastik und ein kleines Taschenmesser heraus. Dann kratzte sie mehrere Proben von Wand und Boden ab und sammelte sie in den Tüten. Nachdem sie die Tüten akkurat beschriftet hatte, verstaute sie alles wieder im Rucksack. Wenn an den Knochen irgendwelche Rückstände gefunden wurden, konnten die Brösel als hilfreiche Ausschlussproben dienen.
Cait wollte möglichst rasch wieder zurück in den Sektionssaal, wo Kristy mittlerweile die Gerätschaften für ihr vorläufiges Labor aufgebaut hätte. Dort wollte sie die Säcke näher untersuchen, in denen die Knochen aufbewahrt worden waren. Sie wusste bereits, dass bei keinem Skelett Zähne gefunden worden waren. Das ließ darauf schließen, dass man die Schädel entfernt hatte, ehe die Knochen abgelegt worden waren. Beim Verwittern der Überreste hätte sich sonst der Unterkiefer vom restlichen Schädel gelöst, und die Zähne wären ausgefallen.
Sie war sich inzwischen fast sicher, dass kein wagemutiger Höhlenforscher auf die Überreste gestoßen war und die Schädel gestohlen hatte. Sie waren von vornherein nie hier gewesen. Doch falls hier unten gesägt worden war, müsste sie in den Proben, die sie vom Boden der Höhle genommen hatte, winzige Knochenfragmente finden.
Cait machte die Taschenlampe aus und verstaute sie im Rucksack. »Werfen Sie mir das Seil zu. Ich komme rauf.«
Nach ein paar Sekunden Stille kam das Seil langsam von oben über die Kante. »Einen Moment noch.« Sharpers Lichtquellen verschwanden, und sie stand nur noch mit dem Lichtstrahl der Lampe an ihrem Helm in dem finsteren Schlund der Kammer.
Cait gruselte es nicht schnell, doch sie hatte auch keine Lust, sich noch länger in der Finsternis aufzuhalten. Als das Seil endlich bei ihr unten angelangt war, umfasste sie es mit beiden Händen und wartete auf Sharpers Zuruf, dass sie mit dem Aufstieg beginnen solle. Es ging relativ schnell hinauf und über die Kante, die sie wieder in den von der großen Höhle abgezweigten Tunnel zurückbrachte.
Sie ließ das Seil los, holte erneut die Taschenlampe heraus und machte sie an. Dann kroch sie zum Ende des Gangs, wo Sharper geduckt auf sie wartete. »Ich will sehen, wie weit der Hauptgang noch reicht, ehe ich wieder rausgehe.«
»Das kann ich Ihnen sagen. Er hört etwa vier Meter von hier abrupt auf. Oder zumindest wird er dort so eng, dass nicht einmal Sie sich noch hindurchquetschen können.«
»Dann dauert es ja nicht lang, wenn ich es mir selbst ansehe.« Er schien sich mit dem Warten abgefunden zu haben, und so kroch sie an ihm vorbei und legte sich erneut auf den Bauch, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Schon nach wenigen Minuten erkannte sie, dass Sharper recht hatte. Die Höhle wurde so eng, dass kein Mensch mehr weiterkam. Und obwohl sie auf dem Weg ein paar schemenhafte Felsvorsprünge wahrnahm, gab es keine weiteren Abzweigungen mehr zu erforschen.
Sie musste sich liegend zu der Stelle zurückschlängeln, wo Sharper wartete, hinter der Kurve zur Abzweigung, eine Aufgabe, die eine gewisse Geschicklichkeit erforderte. Dabei verschätzte sie sich in den Distanzen und stieß gegen etwas wesentlich Weicheres als die Höhlenwand.
»Scheiße!«
Ihr Fuß hing auf einmal fest, und sie strampelte sich frei.
»Ich habe noch nicht jede Hoffnung aufgegeben, einmal Kinder zu zeugen, also passen Sie ein bisschen auf, ja, Herzchen?«
»Tut mir leid.« Doch Cait schmunzelte in der Dunkelheit, während sie sich vorsichtig weiter in den breiteren Gang der Höhle zurückschob. Er hatte es verdient, nach den Bemerkungen, die er vor ihrem Aufstieg von sich gegeben hatte. »Wenn wir rauskommen, würde ich gern oben auf den Castle Hill steigen. Ist das von hier aus machbar?«
Sie hörte förmlich das Achselzucken in seiner tiefen, knurrenden Stimme. »Kommt auf Sie an. Castle Rock ist ein beliebtes Wandergebiet für Touristen, es gibt also Wege. Wir
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