Knochenzeichen
Grund gegangen wäre, sagte sie sich, dass sie das auch allein herausfinden würde. Es gab dringendere Fragen an den Kunstprofessor.
Sie nickte zu seinem Skizzenblock hin und sagte: »Wenn Sie hier leben, haben Sie sicher eine ganze Menge Skizzen von der Brücke. Sie scheint ein starker Anziehungspunkt zu sein.«
Er klappte den Skizzenblock zu und neigte den Kopf leicht zur Seite. »Da haben Sie natürlich recht. Der Trick besteht darin, ein vertrautes Bild in einem völlig neuen Licht zu sehen. Tut das nicht auch eine Ermittlerin, wenn sie sich die Beweismittel ansieht?«
»Wir versuchen es.« Es war etwas gewöhnungsbedürftig, von einem Fremden gleich mit solcher Ungezwungenheit behandelt zu werden. »Wohnen Sie hier?«
»In Blue River.« Er bückte sich, um seinen Zeichenstift in einer Ledertasche zu seinen Füßen zu verstauen. »Aber erst seit kurzem. Ich habe Candi – meiner Verlobten – einen Ruhestandswohnsitz versprochen, wenn ich erst einmal pensioniert bin. Wir haben ein Haus am McKenzie River gefunden, das uns entsprach, und es am Tag, nachdem ich meine Kündigung eingereicht habe, gekauft. Wir müssen uns erst noch mit der Gegend vertraut machen. Candi würde gern einen kleinen Laden mit Einzelstücken von einheimischen Kunsthandwerkern eröffnen, aber das ist im Moment noch im Planungsstadium.« Er stand auf und schlang sich den Riemen seiner Tasche über die Schulter. »Ich sehe allerdings nicht ein, warum ich in den Ruhestand gehen soll, nur um mich dann sofort in etwas anderes zu stürzen, das uns anbindet.«
»Tja, in McKenzie Bridge gibt es offenbar schon eine ganze Reihe ähnlicher Läden, wenn also die reine Anzahl etwas aussagt, könnte es ein Erfolg werden.« Sie nickte zu seinem Skizzenblock. »Finde ich auch etwas von Ihren Arbeiten in den hiesigen Läden?«
Er warf ihr ein breites Lächeln zu, das amüsiert und charmant zugleich war. »Kaum. Aber in Portland gibt es eine Galerie, die sich ganz geschickt dabei anstellt, meine Werke zu verkaufen. Zufälligerweise habe ich im Herbst dort eine Ausstellung.« Er neigte den Kopf zur Seite und musterte sie kühl. »Sie würden nicht vielleicht für mich Modell stehen?«
Gott, nein. Es kostete sie Mühe, sich eine heftige Antwort zu verkneifen. »Tut mir leid.«
In seinen Augen schimmerte Bedauern. »Schade. Hier.« Er kramte kurz in seiner Tasche, bis er eine Visitenkarte gefunden hatte, und reichte sie ihr. »Für den Fall, dass Sie es sich anders überlegen.«
Obwohl sie dazu nicht die leiseste Absicht hatte, nahm sie die Karte und schob sie in die Tasche ihrer Jeans. »Kennen Sie andere Künstler hier aus der Gegend?«
»Ein paar.« Er hob lässig die Hand, als ein rotes BMW-Cabrio neben ihnen anhielt. »Viele von ihnen zeigen ihre Arbeiten auf Country Fairs in der Gegend. Wir haben ein paar ganz begabte Amateure hier. Einige sind sogar richtig gut und warten nur auf ihre Entdeckung. Wenn Sie Kunst kaufen wollen, berate ich Sie gern.«
Die blonde Frau, die aus dem Auto stieg, war gut fünfzehn Jahre jünger als Russo. Hübsch in einer geschliffenen Weise, die Cait nur allzu gut kannte.
»Liebling, ich hoffe, ich habe dich nicht zu lange warten lassen.« Obwohl ihre Worte ihrem Verlobten galten, hielt sie den Blick auf Cait gerichtet, während sie um den Wagen herumging und auf sie zukam. »Natasha hat angerufen und musste mir alles über das Sommer-Leseprogramm erzählen, für das Maya sie angemeldet hat.«
Russos Miene hellte sich auf. »Candi, das ist Caitlin Fleming.« Zu Cait sagte er: »Natasha ist meine älteste Enkelin. Ich habe drei im Alter von sechs, vier und zwei Jahren. Wir haben sogar gerade erst ein paar Tage bei ihnen verbracht, während ihre Eltern auf Geschäftsreise waren. Wir erholen uns noch.«
»Kann ich mir vorstellen.« Aber eigentlich konnte sie das nicht. Sie hatte noch nie viel mit Kindern zu tun gehabt. War ja selbst keines mehr gewesen, seit sie acht war.
Da fiel ihr etwas Dringenderes ein. »Wie schwierig ist es eigentlich, anhand eines Kunstwerks herauszufinden, wer der Künstler war? Oder wenigstens einem Künstler ein zweites Werk zuzuordnen, das er erschaffen hat?«
Russo kratzte sich das Kinn. »Tja, es gibt natürlich Experten in der Kunstwelt, die nichts anderes tun, als die Authentizität von Kunstwerken zu bestimmen. Aber soweit ich es verstanden habe, ist das ein ziemlich kompliziertes Verfahren. Es sind hervorragende Fälschungen im Umlauf. Und es ist immer peinlich, wenn ein bekanntes
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