KNOI (German Edition)
Puppenblick.
- Liebe? Dafür müsste ich dich hassen können.
- Wo ist dein Problem? fauchte er.
Er stand jetzt vor ihr. Sein Geschlecht roch desinfiziert. Er hatte es akribisch ausrasiert. Seine Hände waren rot entzunden. Offenbar wusch er sich wieder. Sein Atem roch nach Blei. Seine Hand umfasste ihre Gurgel. Langsam drückte er zu.
- Acht Minuten, würgte sie.
Er stieß sie weg, was sie beinahe umkippen ließ. Die Vorstellung gefiel ihm, dass er sie hinlegen konnte, wohin er wollte. Er riss sie an den Haaren. Sie sollte auch etwas davon haben.
- Jetzt fällt dir nichts mehr ein. Geh zu deiner Psychologin und erzähl ihr von uns. Sie kann dich bestimmt heilen.
- Stimmt. Du bist eine Krankheit. So sehe ich das auch.
- Eine, von der du noch lange zehren wirst. Der Schmerz beginnt, wenn Sybille tot ist.
Sie lächelte und warf einen Blick auf die Uhr. Lutz ging zu der schwarzen Tasche. Er nahm das Geld heraus und legte es an den Rand des Betts. Dann ging er zur Tür und schloss ab. Sybille sagte nichts. Schließlich hatte er noch sieben Minuten. Als er eine Spritze aus der Tasche zog, wurde Sybille nervös. Lutz nahm die Kanüle und zog eine milchige Flüssigkeit hoch.
- Was wird das?
- Du bist heute sehr stark geschminkt. Stärker als sonst. Du versuchst dich vor mir zu schützen.
Er stand auf und ging auf sie zu. Er ließ sie nicht aus den Augen. Er sprach mit ihr wie mit einem Tier, das es zu beruhigen galt.
- Ich werde schreien, Lutz.
- Das wird nicht notwendig sein.
Die Spritze näherte sich ihrer gespannten Haut. Langsam drang die Nadel ein. Das Letzte, was sie spürte, war ein Kribbeln. Dann wachte sie auf.
Jennifer lag alleine im Bett. Jakob war bereits ausgefahren, um für den Reiseführer zu recherchieren. Sie nahm das Mobiltelefon, keine Nachricht von Lutz. Sie tippte
500
und drückte auf
Senden
. Eine Stunde später kam der Befehl. Es war eine einfache Übung, zu einfach, seit Abbruch der Therapie waren seine Befehle ambitionslos geworden. Natürlich, sie wusste von dem, was Lutz nur
Vorfall
nannte, aber mit dieser Therapeutin war es zu Ende. Jennifer hatte nie Treue verlangt, das wäre lächerlich gewesen. Sie hatte den Preis eine Zeitlang erhöht, so viel Stolz musste sein. Er hatte sich entfernt, und auf ihre Forderung von Zwanzigtausend hatte er nicht einmal reagiert. Fiel ihm nichts ein, was sich dafür lohnen würde? So viel hatte er für Rita noch nie ausgegeben, dafür musste er eine Menge Zähne bohren. Jennifer wusste nicht, dass er wieder mit Rita schlief. Dass sie es nachmittags taten, wenn beide wach waren. Max wusste es, und er fragte sich, welche Tiere sie hinter der weißen Tür vor ihm versteckten. Sie grunzten, sie schnauften, sie brüllten, sie wimmerten, sie knarrten, sie juchzten, sie fauchten, sie knurrten, sie japsten, sie fiepten, sie wieherten, sie röhrten, sie fläzten. Die Hausgans hatte Angst vor den Tieren hinter der weißen Tür. Nervös lief sie herum und flatterte mit den Flügeln. Warum konnte sie nicht wie die Wildenten fliegen? Sie stand am Balkon und starrte den Vögeln hinterher. Wenn er Anlauf nähme? Wenn er die Flügel schnell genug bewegte? Wenn er jetzt einfach die Augen schlösse? Wenn er ganz fest daran glaubte? Wenn er den Boden unter den Füßen nicht mehr spürte. Wenn ihm gar nichts anderes übrigbliebe. Dann.
FÜNF
Nach dem Vorfall hatte sich Lutz tagelang im Ruhezimmer verschanzt, während Rita draußen herumschabte, Dinge an die Wand nagelte, nervös auf und ab lief, mit allerlei Experten telefonierte, die der Situation genauso ratlos gegenüberstanden wie sie selbst, die aber so taten, als wären sie jedem menschlichen Aggregatzustand Herr, sei er noch so flüchtig. Aber Lutz sperrte sich und seine Wut ins Ruhezimmer. Dort lauschte er Ritas nervösem Auf- und Abgehen. Er wünschte sich, dass es endlich still war, dass sich die Dinge außerhalb der Wohnung lösten. Er hatte sich ganz bestimmt keine wie Hilde gewünscht. Da war ihm am Ende jede Dr. Haselbrunner, auch jede vorauseilend alles wissende Freundin von Rita lieber, als diese Erscheinung, ja, anders konnte man es nicht ausdrücken, denn sie hatte nichts, absolut nichts Wirkliches an sich. So wie der ganze Vorfall nichts Wirkliches an sich hatte.
- Niemand braucht das Zimmer, sagte Rita.
Es sei gut, wenn aus dem Ruhezimmer, Verbannungszimmer, korrigierte Lutz, wieder ein Gästeraum werden würde, sagte Rita. Es würde sie auch zwingen, wieder näher zusammenzurücken, nicht nur
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