KNOI (German Edition)
miteinander zu schlafen, sondern auch nebeneinander. Hilde habe ihre Wohnung aufgegeben, das sei eine Chance. Für Max, aber auch für sie als Paar. Lutz habe von Beginn an etwas gegen Hilde gehabt, und das, obwohl Hilde immer mit einem Lächeln auf ihn zugegangen sei, aber es helfe nichts, an Hilde müsse er sich jetzt gewöhnen, sie wisse nicht, wie sie sonst mit dem Vorfall fertig werden solle.
Wenige Stunden später lagen im Ruhezimmer die Federamulette, die blumigen Kleider, die Lederarmbänder, die Fußkette, die Gesundheitsschuhe, die Duftkerzen und Hilde selbst. Ihre breiten Schultern ragten über die Einzelbettkante hinaus. Ihre ledrigen Hände waren über der mächtigen Brust gefaltet. Das Haarnest zappelte im Rhythmus ihres schweren Atems, den man durch die gesamte Wohnung hörte. Rita war das erste Mal seit Wochen ohne Probleme eingeschlafen. Als würde sie sich an diesen rasselnden Atem schmiegen, der klang wie eine Ankerkette, die an einem Boot scheuerte. Lutz lag wach und fragte sich, wie es Hilde geschafft hatte, in so kurzer Zeit sein Zimmer zu annektieren. Plötzlich war sie dagestanden. Mit ihrem indianischen Haupt, ihren farblosen Augen, die versuchten möglichst durchdringend zu schauen, und streckte ihre Pranken nach Max aus. Der stellte sofort das Bellen ein und schnupperte an ihrer braungebrannten ledrigen Hand. Rita sprach von einer Erscheinung. Und dass Hilde einen inneren Pfad zu Max gefunden habe. Worte, die Lutz aus ihrem Mund noch nie gehört hatte und die bei jemandem wie Rita auch gleich nach Umnachtung klangen.
- Sie hat etwas Tierisches, sagte Rita, sie spricht mit Max auf einer anderen Ebene.
- Wie Dr. Dolittle, antwortete Lutz, und da setzte Rita das erste Mal das neue Gesicht auf, und Lutz begriff den Ernst der Lage. Rita redete trotzdem weiter, denn dann habe Hilde etwas Erstaunliches vollbracht. Sie habe nicht auf den bellenden Max gedeutet, sondern neben ihn, und habe gefragt, was denn das für ein Hündchen sei, das da neben ihm sitze und die Passanten anbelle. Ob er, Lutz, verstehe, was Hilde da vollbracht habe. Lutz schüttelte den Kopf. Hilde, so Rita, habe die Fantasie von Max
kanalisiert
. Warum noch keiner von den sogenannten Experten auf die Idee gekommen sei, das frage sie sich. Was sie mit
kanalisiert
meine, fragte Lutz, der bis auf einen immer größer werdenden Irrwitz überhaupt nichts verstehen wollte. Hilde habe aus dem Hund in Max einen Hund neben Max gemacht, ob ihm jetzt ein Licht aufgehe. Aber Lutz sagte, er verstehe gar nichts mehr und habe in seinem Zimmer, das man ihm jetzt auch noch wegnehmen wolle, beschlossen, auch nichts mehr verstehen zu müssen, worauf Rita sagte, dass er sich getrost auf Hilde verlassen könne. Wenn er bloß dabei gewesen wäre, wie Max Hilde angesehen habe, dann würde selbst er nicht mehr zweifeln, worauf Lutz gar nichts mehr sagte, sich stattdessen ganz der stumpfen Resignation hingab, die sich in ihm ausbreitete. Wie ein Mensch habe er dreingesehen, das erste Mal seit Monaten wie ein menschliches Kind. Lutz! Luise, Lutz!, so heiße der Hund.
- Welcher Hund? fragte Lutz.
Ein fiktiver Hund sei doch besser als ein fiktives Kind, sagte Rita, und Lutz sagte, Max sei kein fiktives Kind, schließlich sei er für jeden sichtbar, man könne ihn riechen und mit ihm sprechen, und Rita sagte, Max und Hilde hätten Luise ebenfalls gesehen, hätten auch mit ihr gesprochen, und es sei in jedem Fall besser, sich um diesen Hund zu kümmern, wenn sie dafür den alten Max zurückkriegen, wobei Lutz sie korrigierte, den
alten Max
gebe es nicht, dafür sei Max einfach zu jung. Aber seit dem Vorfall hoffte Rita auf irgendein Zeichen der Erlösung, und Hilde sei der Engel, für den sie gebetet habe, und als Lutz diese ledrige alte Squaw sah, da fragte er sich, ob Rita womöglich zum falschen Gott gebetet habe, worauf Rita wieder ihr neues Gesicht aufsetzte, und Lutz wusste, mit den üblichen Witzen würde er Hilde keinesfalls beikommen.
Der Vorfall hatte sich wenige Tage vor Hildes Erscheinen ereignet. Sie habe es die ganze Zeit gespürt, sagte Rita, habe beim Sex die Ohren immer nach unten gerichtet, und als sie nichts mehr gehört hatte, kein Scharren, kein Wetzen, kein Tapsen, kein Summen, kein Atmen, da hatte sie Lutz von sich gestoßen und war aus dem Zimmer gelaufen. Sie war die Treppe hinuntergestolpert, ein Schmerz am Ellbogen, der sie noch wochenlang daran erinnern sollte. Sie rief Max, sie lief in alle Zimmer, die Spielsachen lagen auf
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