KNOI (German Edition)
auflauern will, dann hätte er doch das Licht gar nicht angelassen.
- Wenn es Ihr Mann ist, haben Sie nichts zu befürchten.
- Aber warum ist er zurückgekommen?
- Das können Sie ihn gleich selbst fragen.
- Und wenn ich mich doch hineinschleiche?
- Gehen Sie einfach hinein, als wäre niemand drin.
- Ich habe aufgesperrt. Haben Sie es gehört?
- Ja.
- Gut, dann öffne ich jetzt die Tür.
- Und, was sehen Sie?
- Ich habe vergessen, die Schuhe zu putzen.
- Sehen Sie jemanden?
- Nein.
- Brennt das Licht noch?
- Ja.
- Gehen Sie langsam ins Wohnzimmer.
- Ich muss noch die Schuhe ausziehen.
- Bitte.
- Was ist los?
- Ich lausche nur.
- Wenn jemand bemerkt werden will, hätte er längst Laut gegeben.
- Ich gehe jetzt.
- Gut. Sie werden sehen, dass da niemand ist.
- Ich bin im Wohnzimmer.
- Und?
- Da steht ein Glas Wein.
- Ihres.
- Frau Kerbler?
Die Verbindung war unterbrochen. Jakob blieb am Straßenrand stehen. Er stellte den Motor ab und drückte die Wiederwahltaste. Freizeichen. Mit jedem Läuten presste Jakob das Telefon fester gegen sein Ohr. Frau Kerbler hatte ihre Mobilbox nicht aktiviert. Jakob ließ es läuten. Er schaltete auf Freisprechanlage. Das Freizeichen ließ die Armaturen vibrieren. Jakob lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Bis nach Rohrbach sind es 94 Minuten. Läuten. Er muss nicht zurückfahren, sie kennen einander kaum. Und Jennifer – Läuten – ist auch weg. Sie spielt ein Spiel. Sie spielt das Spiel, das – Läuten – sie mit Jennifer schon gespielt hat. Eine Krankheit behaupten, die es – Läuten – nicht gibt. So jemandem ist alles zuzutrauen. Niemand bleibt ihr – Läuten – außer Jakob, alle anderen haben sich losgesagt oder sind freiwillig – Läuten – gestorben. Niemand konnte von ihm verlangen, dass er jetzt 94 Min – Läuten – uten zurückfuhr, nur um festzustellen, dass sie gespielt hatte mit ihm, – Läuten – sie die ganze Zeit Wein trinkend im Wohnzimmer gesessen war und – Läuten – mit sich selbst wettete, wie lange es wohl dauern würde, bis dieser Knoi – Läuten – vor der Haustür stünde, im Garten hinter der Rosenhecke und auf – Läuten – das Licht im Wohnzimmer gaffte und sich fragte, was da drin wohl ge – Läuten – schehen war, ob er da jetzt gleich seine erste Leiche sehen würde – Läuten – und warum der Täter das Licht brennen ließ, vielleicht war er noch zu – Läuten – gange, und er würde ihn überführen, lieber hier warten und sicher – Läuten – gehen, wahrscheinlich wollte sie sich nur revanchieren für seinen – Läuten – Spott, dabei hatte er es nicht spöttisch gemeint, bestimmt, bitte, lass – Läuten – sie abheben, es ist heute doch schon genug passiert, und wenn du sie jetzt – Läuten – abheben lässt, dann werde ich mindestens ein Jahr lang um Jennifer – Läuten – trauern, nicht trauern, sie ist ja nicht tot, ich werde ein Jahr lang – Läuten – keine andere Frau berühren, daran denken schon, nicht berühren, ein Jahr lang, hörst du, also lass sie jetzt abheben, es sind 94 Minuten, für nichts, bitte erspare mir das, genug für heute, ich muss mit jemandem reden, zu Rita und Lutz fahren, was, wenn sie sagen, man muss die Polizei verständigen, was, wenn sich dabei etwas Schreckliches herausstellte, was, wenn sie lebte, wenn er sie fände. Sie würden das Telefon überprüfen, wenn sie die Kerbler morgen bei brennendem Licht tot am Boden fänden, dann wären da mehrere Telefonate registriert, sie würden ihn in die Mangel nehmen, beschuldigen, sie würden nicht verstehen, wie man nach so einem Telefonat nicht nach Rohrbach zurückfahren konnte, außer man hätte etwas zu verbergen, aber warum sollte er telefonieren, wenn er sie umgebracht hätte, dieser Anruf wäre doch ein handfestes Alibi, sehr gerissen, das Telefon des Opfers abzuheben, um ein Gespräch zu simulieren, besser, wenn sie nicht abhob, dann wäre nichts bewiesen, weder in die eine noch in die andere – Stille. Das Läuten war längst weg.
Jakob schaltete die Freisprechanlage so laut wie möglich. Er presste sein Ohr gegen den Lautsprecher, um festzustellen, ob es eine tote oder eine lebendige Stille war, eine Leitungsstille oder eine Wohnzimmerstille, ob das Rauschen aus Rohrbach oder aus dem Lautsprecher selbst stammte. Waren da Schritte hinter diesem beinahe geräuschlosen Rauschen? Schritte, die eine Leiche versteckten, Schritte und vielleicht auch ein Atmen, als würde jemand direkt vor dem Ohr
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