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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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die Luft anhalten? Je länger er in dieses Rauschen hineinlauschte, desto mehr wurde er Teil dieses Rauschens, das alles verschluckte. Die Kerbler, ihr Haus, Rohrbach, die umliegenden Wälder und am Ende Jakob selbst. Das Rauschen war mit der Erkenntnis lauter geworden. Er hatte alles versucht. Aber plötzlich hatte sie aufgehört zu leben, nein, plötzlich hatte er es bemerkt, an ihrer Temperatur, an ihrer Haut, die sofort ihre Spannung veränderte, als ob das Leben an der Oberfläche säße. Sie roch nach sich selbst, noch nicht nach Tod. Der Geruch ging erst nach der Seele, oder war der Geruch die Seele? Und geschüttelt hatte er sie, nachdem alle Wiederbelebungsversuche nichts geholfen hatten, geschüttelt, angeschrien, geschlagen, im Spiel, und jetzt, um sie zurück ins Leben zu schlagen. Jennifer! Beruhigen. Lutz. Atmen. Als wäre das hier medizinisch. Not, aber Routine. Kein Herzschlag. Kein Atem. Körpertemperatur unter zwanzig Grad.
    - Scheiße!
    - Scheiße!
    - Scheiße!
    - Scheiße!
    - Scheiße!
    - Scheiße!
    Sie muss weg. Scheiße! Niemand darf davon erfahren. Scheiße! Ohne Leiche kein Mörder. Scheiße! Aus dem Hotel schaffen. Scheiße! In einem Sack. In was für einem Sack, Scheiße! In kleine Teile schneiden. Füße, Oberschenkel, Rumpf, Lungenflügel, Kopf, Hände, Arme. Mit einem ordentlichen Messer würde das maximal eine Stunde dauern. Eine Axt. Nein, Säge. Vier Handtücher. Ein Eimer. Wenn er jetzt das Hotel verließ und zurückkam, würden sie Verdacht schöpfen. In einem Hotel. Was für eine beschissene Idee. Ihre beschissene Idee. Neutraler Ort. Scheiße! In der Arbeitswohnung wäre alles kein Problem. Da könnte er sie in kleinste Teile verarbeiten und dann über die ganze Stadt verteilen. Nein, verteilen war keine Option. Lebend. Lebend musste er das Hotel mit ihr verlassen. Es durfte keinen Beweis für eine Tote geben. In den Rollstuhl und hinausfahren. Den Körper ins Auto setzen. Den Rollstuhl an ein Flussufer stellen. Falsche Fährte. Selbstmord. Die Leiche im Fluss verschwinden lassen. Nein, vergraben. Nur ein Rollstuhl. Keine Leiche. Kein Mord. Das Mobiltelefon. Als Lebensbeweis. Abschiedsbrief. Ortungsdienst ausschalten. Dann das Telefon in den Fluss werfen. Keine Eventualitäten.
    Lutz roch an der Haut. Er rieb sie mit der desinfizierenden Seife ein. So lange, bis nichts mehr von ihr übrigblieb. Er zog sie an. Ihr Gesicht war gegenständlich geworden. Los, bevor der Körper zu viel von seinem Wesen verlor. Er tastete die Augenlider ab. Sie waren steif. Die Totenstarre hatte eingesetzt. Die Kaugelenke waren noch locker. Gut. Es sollte sich ausgehen, den Körper ins Auto zu schaffen. Beifahrersitz. Wie in einem schlechten Film. Warum sagte man das? Wie in einem schlechten Film. Situationen, die nicht wahr sein durften. Machten wir deshalb Filme, um die Dinge, die nicht wahr sein durften, nachzuäffen. Hallo, hier bleiben! Jetzt noch die Schuhe. Dann in den Rollstuhl heben, den Schlüssel abgeben, in der Tiefgarage verschwinden. Das Propofol. Scheiße! Das Propofol nicht vergessen. Das Geld einstecken. Es war nicht mehr sein Geld. Diebstahl. Keine Spuren. Schauen. Einmal. Nein, zweimal. Ein drittes Mal. Atmen. So. In den Aufzug, der jetzt hoffentlich nicht steckenblieb. Ihr Kopf hing schief auf die Brust herab. Von hinten sah sie aus wie eine angezogene Puppe. Von vorne wie ein schlafender Mensch. Von der Seite wie eine Leiche im Rollstuhl. Sollte er mit ihr reden? Ihre Hand nehmen. Die Aufzugtür ging so laut auf, dass die Gäste in den ebenerdigen Zimmern jedes Mal aufschreckten. Der Rezeptionist, 42, zurückgekämmtes Haar, blond, schlank, klein, ukrainischer Blick, bisexuell, blaues Acrylhemd, weißes Halstuch,
Acqua di Parma
, stand gelangweilt hinter dem Tresen und vermied es, den Gästen ins Gesicht zu schauen. Das war sein Verständnis von Diskretion. Aber Branko warf trotzdem einen Blick auf die Frau im Rollstuhl, auch auf den Mann, der sich eine gelähmte Geliebte hielt. Als Lutz den verstohlenen Blick des Portiers bemerkte, murmelte er etwas vor sich hin. Er achtete nicht auf seine Worte, er ging nicht davon aus, dass ihr Sinn eine Rolle spielte.
    - Nein, da brauchst du dir wirklich keine Sorgen machen, der Parkschein läuft erst in einer Stunde ab, um diese Zeit gehen sie nicht mehr, aber ich bringe dich nachhause, Bärbel, nein, Barbara, entschuldige, ich weiß – danke, bis zum nächsten Mal –, links oder rechts? Ich schaffe das schon, ja, die Tür ist breit genug,

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