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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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nichts zuschulden kommen lassen. Die Dosis hatte gestimmt. Er hatte es drei Mal geprüft. Eine andere hörte da noch lange nicht zu atmen auf. Nein, er hatte sie nicht nach Allergien gefragt. Schließlich handelte es sich um keine OP. Also war eigentlich nicht die Ärztekammer zuständig. Er konnte so etwas abschätzen, er war Arzt. Zahnarzt. Aber er hatte sich während des Studiums sehr für Anästhesie interessiert. Hatte sich da richtiggehend hineingetigert. Hatte sich dann aber doch für Dental entschieden. Aus finanziellen Gründen. Und ob ein Anästhesist tatsächlich ein Arzt war, da schieden sich die Geister. Die Infusion war richtig eingestellt. Ihre Haut hatte die milchige Farbe des Propofols angenommen. Tausende hatte er schon betäubt. Ob Mund, ob Fuß, ob ganz, der Unterschied lag ausschließlich in der Dosis. Und die stimmte. Man konnte ihm nichts vorwerfen. Schon gar nicht die Ärztekammer, diese Verbrecher. Alles korrekt gelaufen. Auch das mit dem Rollstuhl. Woher sollte er bitte einen Rollstuhl auseinanderklappen können? War er Pfleger oder Arzt? Es war schon schwierig genug, den Patienten am Beifahrersitz zu positionieren. Trotz voranschreitender Leichenstarre. Er war nicht gut im Schlichten, da hatte Rita Recht. Ein steifer Körper war kein IKEA-Möbel. Richtig. Ein IKEA-Möbel konnte man zerlegen. Verlor er endgültig den Verstand? Nichts würde je wieder wie vorher sein. Es gab keine Leiche. Er hatte den Rollstuhl so, wie er war, in den Kofferraum gestellt. Da hatte sich der Combi schon wieder rentiert. Für jeden sichtbar. Aber was war falsch daran? Ampeln musste man eben meiden. Im Navi hatte er Wienerwald eingegeben, der umschloss doch die ganze Stadt. Er verstand deshalb überhaupt nicht, warum ihn diese enervierende Frauenstimme ständig zurechtwies. Wenn ein Wald eine Stadt umschloss, dann gab es keine falschen Wege.
Links abbiegen! Links abbiegen! Bei der nächsten Möglichkeit wenden
. Kein
bitte
, kein
danke
. Dieser gleichbleibende Ton, diese völlige Gleichgültigkeit gegenüber seiner Verfassung. Da durften sich auch schon mal ein paar kleine Fehler einschleichen. Hören Sie, die Ärztekammer ist nicht zuständig. Egal. Ein Polizeiauto. War zu erwarten. Und wem hatte er es zu verdanken? Dieser enervierenden Stimme. Er hatte es ihr gesagt, Ampeln meiden. Er durfte nicht hinsehen. Mit ihr sprechen, sie beruhigen, dass sie bald da sein würden. Als es Grün wurde, sprang ihm der Gang raus. Das passierte sonst nur Rita. Er war Arzt. Im Dienst. Warum sollte die Polizei darauf reagieren? Es gab keine Leiche. Er brauchte natürlich einen Spaten. Wenn er sie im Wald vergraben wollte, dann kam er mit der Kinderschaufel von Max nicht weit. Außerdem hätte es sich nicht richtig angefühlt. Tankstelle! Aber der Tankwart hatte ihn angesehen, wie man einen ansah, der nicht wusste, wie viel ein Liter Benzin kostet. Doch die rote Plastikschaufel von Max! Er musste ein Waldstück mit weicher Erde finden. Kaum zu glauben, wie laut es im Wald war. Er fühlte sich beobachtet. Aber für die Tiere tat er nichts Unrechtes. Max war kein Tier. Er erkannte sich selbst im Spiegel. Die Kammer, verdammt nochmal, die Kammer war nicht zuständig. Noch einmal, für die Deppen in der letzten Reihe: Es war keine OP. Das Schaufeln dauerte ewig. Gut, der Wienerwald war keine Sandkiste. Sonst wäre er auch die Sahara. Der Wienerwald war nämlich der größte Mischwald Mitteleuropas. Das wusste er noch aus der Schule. Die Leiche würden sie nie finden. Eine Zeitlang nicht in den Wald gehen. Versprochen. Hoffentlich brach die verdammte Schaufel nicht.
    Jennifer hatte im Auto gewartet. Er nahm sich fest vor, sich die Stelle nicht zu merken. Die Schaufel abklopfen! Sie sah jetzt aus, wie sie geschminkt war. Nur gegenständlicher. Er legte sie in die Grube und bedeckte den Leichnam mit Laub. Das erschien ihm würdevoller. Dann senkte er das Haupt und warf eine Portion Erde auf die Leiche. Er hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie ohne Rede beerdigt wurde. Er beschloss, im Wagen eine Rede zu halten. Das galt. Das war wie mit dem Urbi et Orbi auf Video. Er stieg ein und fing sofort an. Er sagte, dass sie keine einfache Person gewesen sei, dass er aber mit ihr nie Schlechtes im Sinn gehabt habe. Er sagte, dass Jakob sie bestimmt liebe und dass es für jemanden, der so viel Leid ertragen musste, so vielleicht sogar besser sei. Er wollte damit keineswegs seine Tat rechtfertigen, vor allem, weil es keine Tat war, sondern ein

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