KNOI (German Edition)
bewunderte. Branko blätterte in
Madame Bovary
und lächelte. Rita lag bewusstlos im Schlafzimmer, als es an der Tür läutete.
- Herr Schober? Fohner, Kripo Wien.
Herr Fohner sah aus, wie Fernsehkommissare aussehen. Er verschaffte sich Zutritt, ohne zu fragen. Jakob stellte sich ihm nicht entgegen.
- Hat man sie gefunden?
Der Kommissar musterte Jakob und schüttelte den Kopf.
- Noch nicht. Ist aber nur eine Frage der Zeit.
Er meinte tot. Sein Ton ließ da keinen Spielraum zu.
- Haben Sie heute schon auf Ihr Konto geschaut?
Jakob verneinte, sagte, er schaue überhaupt selten auf sein Konto, und dass er an Prokrastination leide, worauf ihn der Kommissar sofort unterbrach.
- Dann empfehle ich Ihnen, das bald nachzuholen.
Jakob runzelte die Stirn, wie nur Konrad die Stirn runzelte, wenn er Ratlosigkeit vortäuschte. Der Kommissar ignorierte solche Gesten und kam gleich zur Sache.
- Zwanzigtausend Euro. Bareinzahlung. Heute Nachmittag. Können Sie sich das erklären?
Jakobs Stirnrunzeln verhärtete sich. Er schüttelte den Kopf und fing gleichzeitig an, darüber nachzudenken, was er mit dem Geld anfangen sollte. Mit zwanzigtausend Euro könnte er so gut wie jedes Land bereisen. Mit zwanzigtausend Euro ließe sich die ganze Welt bereisen. Endlich den universalen Reiseführer schreiben. Überall gab es jemanden, der zwanzigtausend Euro auf Konten einzahlte. Überall fragte sich der Betroffene nicht allzu lange, woher das Geld kam, sondern sofort, was damit anzufangen war. Überall rief so etwas die Polizei auf den Plan. Das hatte aber noch nichts mit Mord zu tun.
- Endlich ein ernstzunehmendes Lebenszeichen, sagte Jakob, und jetzt runzelte der Kommissar gehörig die Stirn, denn darauf wäre er nicht gekommen. Er fragte sich, ob er das als Genialität oder Wahnwitz werten solle, entschied sich aber zu fragen:
- Warum?
- Herr Kommissar, Jennifer hat mich einfach im Regen stehen lassen. Sogar die Wohnung ist auf sie gemeldet. Offenbar hat sie das Gewissen gequält, und sie hat mir ein wenig Geld zukommen lassen. Das ist doch nachvollziehbar.
- Es ist logisch. Aber unrealistisch.
- Wieso?
- Erfahrung, sagte der Kommissar, der es verstand, mit Schlagworten alles vom Tisch zu wischen. Schlussendlich hatte ihn seine Frau genau deshalb verlassen. Mit ihm könne man kein vernünftiges Gespräch führen. Kein Streit mache Sinn, wenn der andere darauf nur Scheidung sage. Oder Menstruation. Oder Tollwut.
- Darf ich mich setzen? fragte der Kommissar.
Er hatte den Impuls, sich bei jeder Gelegenheit hinsetzen zu wollen. Es war nicht Müdigkeit, eher betrachtete er die Sitzhaltung als die natürlichste. Vermutlich ein weiterer Grund für die Scheidung. Aber er hielt das Sitzen auf Stühlen tatsächlich für eine der wichtigsten Errungenschaften der Zivilisation.
- Gern, sagte Jakob. Ich sitze am liebsten auf diesem Fauteuil. Ab Mittag scheint einem hier die Sonne ins Gesicht. Im Winter ist es ab vier leider dunkel. Trotzdem ist es der beste Platz in der Wohnung. Vermutlich hat das etwas mit Energieflüssen zu tun.
Der Kommissar hob die Hand, um Jakob erneut zu unterbrechen. Er sei außerdem hier, um ihn über den Ermittlungsstand zu informieren. Jakob sagte, er habe gar nicht gewusst, dass bereits ermittelt werde, außer einem ambitionierten Provinzpolizisten habe ihn niemand kontaktiert. Streng genommen sei er gar kein Angehöriger. Jennifer und er seien nicht verheiratet. Rein rechtlich müsse er also vermutlich die Mutter, falls diese schon aufgetaucht sei, oder die Schwester, wohnhaft in Canberra, Australien, verständigen. Der Kommissar deutete Stopp und sagte, dass er bewusst ihn kontaktiert habe. Warum, fragte Jakob, worauf der Kommissar nur Methode sagte. Dann forderte er ihn auf, sich ebenfalls zu setzen, da ihn stehende und gehende Menschen nervös machten. Außerdem verzerrte es die Verhörsituation, wenn sich der Befragte nicht zumindest auf Augenhöhe befand. Jakob setzte sich auf den Boden und sah zu ihm auf. Also, sagte der Kommissar, man habe die Anrufe auf Jennifer Kerblers Telefon überprüft, besonders beliebt dürfe die Dame ja nicht gewesen sein, wenn er das vorweg anmerken dürfe. In fünf Tagen kein einziger Anruf, außer von Ihnen, wohlgemerkt, sagte der Kommissar, und mehrere Nachrichten von einem Mann, den Jakob vermutlich kenne.
- Lutz, sagte Jakob, noch bevor der Kommissar den Namen aussprechen konnte. Er hatte vermutlich ein Verhältnis mit meiner Frau, worauf der Kommissar den Blick
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