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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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Andere beherbergen. Sich im Verbund fühlen. Gemeinsam auf der Wiese warten. Wenn es friert, dann friert es. Wenn es schneit, dann schneit es. Wenn es regnet, dann regnet es. Eine Pflanze sein.
    Als die Sonne orange hinter dem Nachbarhaus verschwand, kam Rita zurück. Lutz saß inzwischen auf dem Boden. Sie beachtete ihn nicht, ging in die Küche, machte sich etwas zu essen und las Zeitung, während sie aß. Lutz fühlte sich satt von dem kernigen Sonnenlicht. Die ganze Haut roch nach diesem Licht. Kapitulation. Rita seufzte und stand auf.
    - Was wird das, Lutz? Als Dauerzustand ist es nämlich unerträglich.
    Aber Lutz antwortete nicht. Er hielt seine Augen geschlossen. Seine Haut nahm die goldene Farbe des Abendlichtes an.
    - Wenn du jetzt einen auf Max machst, Lutz, dann wäre es mir lieber, du gehst. Welches Tier soll das sein? Eine Koralle? Eine Muschel?
    - Ich liebe Doktor Haselbrunner.
    Seine Stimme war ausdruckslos. Lutz sprach, ohne die Lippen zu bewegen. Rita seufzte resignativ.
    - Gut, du liebst Doktor Haselbrunner. Was bedeutet das?
    Lutz öffnete die Augen und drehte den Kopf.
    - Das weiß ich nicht.
    Er schloss wieder die Augen und hielt sein Gesicht in das abnehmende Licht.
    - Willst du mit ihr zusammenziehen? Willst du Kinder mit ihr? Wollt ihr heiraten?
    Für Rita war das alles so abstrus, dass sich das glucksende Lachen, das sich emporrekelte, kaum noch unterdrücken ließ.
    - Ich muss, Rita. Die Liebe ist ein Zwang.
    Sie sah ihn an. Seine Ernsthaftigkeit, diese Verzweiflung, diese selbstmitleidige Hoffnungslosigkeit. Ein verkitschtes Chanson. Weltschmerz. Rita kam das Lachen so plötzlich hoch, dass große Speicheltröpfchen in Lutz’ goldenem Gesicht landeten. Sie hielt sich die Hand vor den Mund. Der Blick von Lutz. Sogar die übliche Verachtung war völliger Ausdruckslosigkeit gewichen.
    - Ich werde noch heute ausziehen. Ich lasse alles da. Jedes Kleidungsstück würde mich an meine frühere Existenz erinnern. Es wäre zu schmerzhaft.
    - Du meinst es ernst.
    Lutz nickte. Draußen war es dunkel geworden. Aber seine Haut hielt ihre Temperatur.
    - Ich fasse es nicht. Wie lange geht das schon?
    - Ich habe sie immer geliebt, habe es aber erst gestern bemerkt.
    - Ich kann es nicht glauben.
    - Du bist enttäuscht.
    - Ich weiß es nicht. Ich bin völlig sprachlos. Das ist surreal, Lutz. Du kannst sie doch nicht ausstehen.
    - Ja, das ist oft so, dass man jemanden zuerst nicht mag, in den man sich dann verliebt. Das kennt man ja aus Filmen. So wie umgekehrt sich jemand als Arschloch entpuppt, den man zuerst ganz sympathisch fand. Und oft behauptet man, dass man jemanden zutiefst verachtet, nur um davon abzulenken, dass man ihn eigentlich liebt.
    - Willst du mich verarschen, Lutz?
    - Nein, ganz bestimmt nicht. Es tut mir leid. Das sind die Tatsachen. Und es gibt nichts daran zu rütteln. Ich ziehe noch heute aus.
    Rita seufzte und ging von einem Fenster zum nächsten. Jedes riss sie auf, sie holte tief Luft. Dann knallte sie die Wohnungstür hinter sich zu und verschwand. Sie drängte sich durch die Massen in der Einkaufsstraße, ließ U-Bahnen fahren und wälzte sich im Park im Gras. Sie wollte auf der Stelle ficken. Also rief sie Jakob an, der nicht abhob. Sie lief zu ihm, drängte sich an dem Postboten vorbei und trommelte gegen seine Tür. Als er verschlafen öffnete, fiel sie ihm um den Hals. Sie zog ihn ins Schlafzimmer und rammte sich seinen Schwanz in ihre Möse. Sie riss an seinen Haaren, brach ihm beinahe die Finger und biss ihn am ganzen Körper. Weil er früher kam, als ihre Wut ging, blieb sie stumm auf ihm liegen. Sie reckte sich hoch und schlug ihm ins Gesicht. Er versuchte, die Augen offenzuhalten. Sie schlug immer fester. Ballte die Hand zur Faust. Drosch ihm auf die Nase. Gegen die Wangenknochen. Auf die Ohren. Auf die Augen. Bilder von zerplatzenden Konfettiballons. Er kniff die Lippen zusammen, spannte alle Muskeln an, bis Rita über ihm zusammensackte und einschlief. Jakob schob sie zur Seite und stand auf. Er sah ihr eine Weile beim Schlafen zu. Dann ging er in die Küche und machte Kaffee.
    Es war bereits dunkel draußen. Er hatte den Tag weggeschlafen. Branko saß vor Jennifers Büchern, als ob jedes von ihnen eine andere Geschichte über sie erzählte. So viel Liebe, die mit Jennifers Leben ungenutzt weggeworfen worden war. Stattdessen war sie bei ihm geblieben. Und er hatte immer gedacht, es wäre umgekehrt gewesen. Aber Jennifer war bei Jakob geblieben, obwohl er sie nicht

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