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Koala: Roman (German Edition)

Koala: Roman (German Edition)

Titel: Koala: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Bärfuss
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eine Eidechse. Barrallier kostete davon, er fand, es schmecke besser als Opossum.
    Später fanden sie einen Durchgang, der sie vom Fluss hinauf in die Hügel führte. Sie zogen über einen öden Boden durch einen lichten Wald aus Eukalypten. Nachdem sie die Höhen überquert hatten, stießen sie auf eine Ebene, voll mit Kängurus. Der Boden aus weißem Ton. Um sechs Uhr abends überquerten sie einen Bach, am Horizont Rauchsäulen. Bungin beugte sich über die Fußspuren, die sie im Lehm fanden, und meinte, das müsse Canambaigle mit seinen Leuten sein. Sie waren auf der Jagd und hatten das Land in Brand gesteckt. Nach einer Weile fanden sie die Hütten seiner letzten Expedition, dort verbrachten sie die Nacht.
    Am nächsten Morgen, früh um sechs, als Barrallier dabei war, seine Sachen zu packen, kam Bungin und meinte, er habe Stimmen gehört. Er und Gogy machten sich auf, und bald vernahm Barrallier, wie die beiden auf seine Rufe antworteten. Mehrere Male erklang das »Coo-Eee«, und eine Viertelstunde nachdem er sie aus den Augen verloren hatte, kamen die beiden zurück, im Schlepptau noch zwei Eingeborene. Der eine nannte sich Bulgin, der andere, Wallarra, sah zum ersten Mal einen Weißen. Er verweigerte Barrallier den Handschlag. Gogy sprach auf ihn ein, beruhigte ihn, der Weiße sei gekommen, um Pflanzen und Kieselsteine zu sammeln. Wallarra stand da, mit verschränkten Armen, den Blick auf den Boden geheftet. Er aß nichts von dem Reis, den Barrallier ihm anbot und den Bulgin gierig verschlang. Nur den Zucker nahm dieser Wallarra, nahm dabei die Augen nicht vom Franzosen, leckte aus seiner Hand, wie die auserwählten Soldaten Gideons getrunken hatten beim Brunnen Harod. Barrallier ließ ihm eine zweite Handvoll geben, als er sich dem Mann näherte, begann der von Kopf bis Fuß zu zittern.
    Der Morgen war schon alt, als sie endlich die Ochsen einspannten. Der Wagen setzte sich in Bewegung, und die beiden Neuen, Bulgin und Wallarra, begannen Grimassen zu schneiden, ihre Stimmen überschlugen sich, sie tanzten und schrien und waren nicht zu beruhigen, ließen den Karren keinen Moment aus den Augen. Barrallier ärgerte sich über sich selbst, jetzt hatte er schon fünf Eingeborene, dazu eine Frau und ein Kind, die er mitschleppen und durchfüttern musste. Er wollte bloß eine Passage durch die Blue Mountains finden, sein Herbarium nachführen, die Böden untersuchen, aber diese Kerle behelligten ihn mit ihren Bruderfehden und Frauengeschichten. Die Männer versprachen sich Schutz und Verpflegung, aber sie hielten den Trupp auf und gefährdeten seine Expedition. Barrallier hatte das Gefühl, hinter jedem Busch sitze ein Eingeborener, der entweder jemanden suchte oder selbst auf der Flucht war, etwas, was nie mit letzter Sicherheit zu entscheiden war. Man verstand diese Leute nicht. Es lag nicht an ihrem fürchterlichen Englisch oder daran, dass er ihre Grimassen nicht lesen konnte; es war ihr Denken, zu dem der Franzose keinen Zugang fand. Ob eine Drohung ernst zu nehmen war oder ob sie wie so oft im nächsten Augenblick in Gastfreundschaft umschlagen würde, ob sie lachten oder feixten, war nie zu sagen. Das Gelände bot Schwierigkeiten, aber diese meisterte er mit den Instrumenten und seinem Ehrgeiz, er wusste, was es brauchte, um einen weißen Fleck zu kartografieren. Die Leidenschaften aber waren eine Wildnis, durch die er keinen Pfad fand, in der sein Gerät und sein Werkzeug versagten. Die Eingeborenen, so schien es Barrallier, waren gefangen in einem endlosen Zwist, in einer Kette von Schuld und Vergeltung, und wer sich mit ihnen einließ, der verstrickte sich unweigerlich in ihrer Geschichte.
    Sie querten schlechtes Land, bedeckt von Steinblöcken und niedrigen Büschen, der Boden ausgetrocknet. Gingen unter einem klaren Himmel über eine weite Ebene. Da und dort hohe Bäume. Kamen bald in ein Tal, wo wilde Kühe grasten. Der Franzose ließ die Tiere zählen, es waren einhundertzweiundsechzig. Einige Male schien es, als wollten die Rinder angreifen; die Soldaten stießen Rufe aus, irgendwann konnten sie passieren.
    Der Boden zwischen den wassergefüllten Gräben, die das Tal durchzogen, war von den Hufen plattgedrückt, die Stämme der Krüppelbäume, die die Esplanade säumten, von den Hörnern entrindet.
    Ein Bulle lag in einer Mulde. Er war nicht lange tot. Im roten Fell klafften Wunden, die er sich bei seinem letzten Kampf zugezogen hatte.
    Der Franzose ließ dem Tier die Hörner absägen, dann gingen

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