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Koala: Roman (German Edition)

Koala: Roman (German Edition)

Titel: Koala: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Bärfuss
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Legenden dieser Leute verstrickt und seine Urteilskraft verloren. Eine große Gleichgültigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen, sein Ehrgeiz, für die europäische Zivilisation einen Weg durch diese Berge zu finden, schien ihm nun lächerlich, ein Hirngespinst wie das Geschwätz der Eingeborenen, und ohne ein Wort zu sagen, nickte er Bungin zu, und sie setzten sich alle in Bewegung, ein Zug ermatteter, idiotischer Menschen ohne Führung und Ziel.
    Sie überquerten einen Fluss, folgten seinem Ufer, bis sie den Fuß der Berge erreichten. Der Aufstieg schien Barrallier zu steil, unmöglich, dass der Trupp hier einen Weg fand. Er würde seine Leute hier warten lassen und alleine mit Bungin nach einem Durchgang suchen.
    Sie stiegen hinan, bald wurden die Felsen abschüssig, und der Franzose verlor immer wieder den Halt und rutschte aus. Sein verletztes Bein brannte, er fand, er habe niemals einen anstrengenderen Weg beschritten, und doch folgte er blind und beinahe taub diesem Menschen, der leichtfüßig voranschritt, von Stein zu Stein hüpfte. Mit jedem Meter, den sie vorankamen, verlor Barrallier mehr den Mut, ausgeschlossen, jemals den Gipfel zu erreichen. Die Hänge ragten beinahe senkrecht empor, jeder Versuch weiterzugehen schien sinnlos, aber der Eingeborene wollte unbedingt weiter, versicherte, er habe diesen Weg schon oft begangen. Für Barralliers Zweifel schien er kein Verständnis zu haben, und nur um sich nicht mit ihm anlegen zu müssen, weil ihm die Kraft fehlte, seinen Willen durchzusetzen, schickte Barrallier ihn los, alleine eine Passage zu finden. Er musste nicht lange warten, dann erschien der Eingeborene wieder, und sie kehrten um.
    Zurück beim Trupp, hielten sie sich nach Norden, während Gogy mit einigen Männern südlich einen Weg suchen sollte. Barrallier und seine Gruppe schritten voran, passierten Schluchten, deren Grund sie nicht sehen konnten. Der Franzose stolperte vorwärts, Schwindelgefühle im Magen und im Kopf, aber nach einer Weile, er wusste nicht wie, standen sie plötzlich auf einem Gipfel, unter sich das Land, am Horizont der Ozean, die Richtung, aus der sie vor zwei Wochen aufgebrochen waren, der Anblick fühlte sich an wie Heimat.
    Gegen Osten hin stiegen sie über Hügel hinab, und nach einigen Stunden erreichten sie den Bach, wo sie das Depot errichtet hatten. Gogy und seine Männer erschienen erst gegen Abend, sie hatten ihren Weg aufgegeben und waren Barralliers Spuren gefolgt, blass vor Erschöpfung fielen sie nieder, Gogys Junge wimmerte, und Barrallier, aus Mitleid, für das er sich verfluchte, reichte dem Kind ein Stück des Kängurus, das sie am Tag zuvor erlegt hatten.
    Kurz darauf hörte er Geschrei, sah, wie Gogy mit einem Knüppel seiner Frau nachstellte und ihr auf den Kopf schlug, Blut spritzte, sie fiel zu Boden. Die Soldaten versuchten, den Wütenden zurückzuhalten, traktierten ihn mit Gewehrkolben. Gogy verzog sich, stürmte einen Augenblick später wieder auf seine Frau los, dieses Mal mit einem vierzackigen Speer, mit dem man Fische jagte. Er stieß seiner Frau die Waffe in den Oberschenkel, verletzte sie an Brust und Kopf, man versuchte, ihn wegzureißen, aber er griff sich eine Muskete.
    Es dauerte ein paar Tage, bis Barrallier sich ergeben und seine Niederlage hinnehmen konnte. Es brauchte weitere Aufregungen, Menschen, die auftauchten und wieder verschwanden, noch einige Kinder, die sie in den Büschen fanden, gefürchtete Jäger, deren Gestalt von einem Feuer enthüllt wurde, es brauchte noch ein paar Melodien von Verrat und Verfolgung, Geflüster von Treue und Hingabe, rollende Augen, schnalzende Zungen, einen weiteren Tag, an dem sie sich zwischen den Felsen verloren, nach Stunden wieder an derselben Stelle standen, eine weitere Sonne, die gleichgültig auf alles niederschien, auf die Echsen mit den roten Bäuchen, auf die Vögel in den Bäumen, auf seinen Trupp, auf die Frauen, schwer beladen, die Kinder im Schlepptau, die Männer, die sich als Häuptlinge aufführten und selber nur im Kreis gingen. Es brauchte noch ein paar Nächte, in denen Barrallier zwischen Traum und Wachen lag und die Ochsen dröhnen hörte, ganz nah am Lager, aufsprang und die Männer die Tiere zu vertreiben hieß, es brauchte die langen Blicke, das Gekicher, als er lernen musste, dass es keine Ochsen, sondern Frösche waren, die im Sumpf hockten und den Abend zusammenschrien, es brauchte noch ein paar Aale, fett und armlang, die er halbroh zum Frühstück aß, er musste noch

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