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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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nickt mit einem kurzen Ruck und schickt sich zum Gehen an. 
    „Moment!“, sage ich. „Ich verstehe Ihre Entrüstung, Herr Neumann. Da ich aber unter den gegebenen Umständen doch mit Ihrer Verlobten sprechen muss ...“ 
    „Was!“ 
    „... hoffe ich, Sie werden Ihr nicht verheimlichen, dass ich in der Rezeption eine Nachricht für sie hinterlege. Es wäre mir äußerst unangenehm, wenn sie die nicht erhielte. Und vor allem: Es würde die Ermittlungen unnötig erschweren. Und das wollen Sie doch nicht, Herr Neumann, nicht wahr?“ 
    Neumann wendet sich ohne Antwort ab und geht. Ich hole mein Notizbuch aus der Tasche und beginne, die versprochene Nachricht aufzusetzen, die ich in der Rezeption hinterlegen muss. Bin mächtig gespannt, ob Neumann seiner Verlobten trotzdem etwas davon sagt. Und wer mag diese Verlobte sein? Die Schuhgröße 38?
    In diesem Augenblick wird mein Kaffee gebracht, den ich aus gesundheitlichen Gründen nicht trinken möchte. Ich schaue auf meine Uhr – drei durch. Es wäre gut, wenn das Gespräch mit Claude Molière gegen vier beendet wäre. Sonst gerät mein Plan durcheinander. 
    Claude Molière kommt beinahe sofort, nachdem die Rezeptionistin, Gesine Odis, wie sie sich mir vorstellte, ihn gerufen hat, und nach dem schwierigen Gespräch mit Neumann beginne ich die Unterhaltung mit ihm beinahe erleichtert.
    Molière macht einen angenehmen Eindruck. Um die vierzig, das Haar ein bisschen schütter, ein kluges Gesicht. Er stellt sich vor und benimmt sich ungezwungen, ohne einen Schatten von Verlegenheit.  
    Ich spiele meine Platte ab und erzähle die Delacroix-Geschichte, wobei ich natürlich einige Einzelheiten weglasse. Molière hört neugierig zu.
    „Da schau an!“, sagt er. „Hat sich also umgebracht. Ja, warum denn?“ 
    Ich erkläre, dass „hat sich umgebracht“ nicht die zutreffenden Worte sind. Und warum, das hoffe ich zu erklären, und er soll mir dabei behilflich sein. 
    „Den habe ich gesehen!“, erklärt Claude Molière, als ich ihm Delacroix’s Foto gebe. „Der sah aber gar nicht danach aus!“ 
    Sofort ergeben sich ein paar Fragen. Wann hat er ihn gesehen? Was bedeutet „sah gar nicht danach aus“?  
    „Wir sind am Nachmittag zusammen mit dem Fahrstuhl hinaufgefahren. Es muss so gegen sechs gewesen sein“, antwortet Molière auf diese Frage. „Gegen sechs, sagen Sie?“ 
    „So spät muss es ungefähr gewesen sein. Weil ...“ 
    „Weil?“ 
    „Ich hatte eine Verabredung“, erklärt Claude Molière. „Deshalb kann ich das sagen.“ 
    Eine Verabredung – das bedeutet aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Frau. Hat er sie etwa zufällig auf sein Zimmer eingeladen? Ich hebe mir die Frage für später auf und fahre fort: „Sie haben Herrn Delacroix nur kurz gesehen, aber trotzdem: Was für einen Eindruck hatten Sie von ihm?“ 
    „Nichts Besonderes, aber ... auf jeden Fall nicht den eines Mannes, der hingeht und Dummheiten macht.“ 
    „Hatte er etwas bei sich?“ 
    Molière überlegt gar nicht erst, er antwortet sofort:
    „Was soll ich sagen, er hatte ein hübsches Köfferchen, es gefiel mir sehr, dachte sogar, ist schließlich keine Sünde, dass das genau das Richtige für mich wäre, wenn ich verreise. Mir gefällt selten etwas.“ 
    Er wäre nicht so hingerissen, wenn er ein paar Einzelheiten über das Köfferchen wüsste, doch wichtig ist, dass er es bemerkt hat.
    Delacroix hat sich einfach nicht von ihm getrennt, und aus gutem Grund. Fünfundzwanzigtausend Dollar.
    „Sie sind also, wie Sie sagen, gegen sechs hinaufgefahren?“ 
    „Ja.“ 
    „Entschuldigen Sie die Frage, aber ich muss sie stellen. Wer war mit Ihnen?“ 
    Molière wird einen Augenblick verlegen, aber nur einen Augenblick.
    „Eine Frau ... meine ehemalige Frau.“ 
    Was er damit sagen wolle?
    „Genau das. Sie ist meine ehemalige Frau. Wir sind geschieden, sehen uns aber ab und an, wenn ich nach Paris komme. Das ist eine etwas verworrene Geschichte.“ 
    Ich sitze und warte. Wer weiß, was für eine Geschichte da herauskommt, doch für mich ist wichtig, dass eine weitere Frau oben war, und zwar zu der Zeit, in der sich Delacroix in seinem Zimmer aufgehalten hat. Dann ist er wahrscheinlich ins Restaurant zum Abendessen gegangen, wo ihn das Ehepaar Poletti gesehen hat.
    „Wir sind geschieden. Schon ein Jahr“, erläutert Molière. „Es waren da einige unangenehme Dinge passiert. Ich hatte eine Affäre, Sie verstehen, nicht wahr?“ 
    Es ist nicht so schwer, das

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