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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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zu verstehen.
    „So dass zwischen Valentine ... meiner Frau und mir eine Abkühlung eintrat. Dann ergab es sich, dass ich meine Arbeitsstelle verlassen und in die Provinz gehen musste. Das war dann zu viel, wissen Sie, wir ließen uns scheiden. Sie bestand darauf.“ 
    „Haben Sie Kinder?“ 
    „Einen Jungen von acht Jahren.“ 
    Molière verstummt, das Thema ist offenbar für uns beide nicht das angenehmste. Doch wie dem auch sei, mich interessiert die Frau Valentine.
    „Und Sie sehen sich oft?“, beginne ich wieder. 
    Claude Molière winkt ab. „Ja, wir sehen uns. Valentine ist ... in Wahrheit ist sie eine kluge und angenehme Frau. Und wenn diese Dummheit nicht gewesen wäre. Aber was zerbrochen ist, ist zerbrochen.“ 
    „Sehen Sie, Herr Molière“, sage ich, „die Einzelheiten interessieren mich nicht, aber Sie müssen mir sagen, wie lange Ihre, nun, Ihre ehemalige Gattin bei Ihnen im Zimmer war und wann genau sie es verlassen hat.“ 
    Claude Molière rechnet offensichtlich im Kopf nach, während er sich eine Zigarette anzündet, dann erklärt er:
    „Hinaufgefahren sind wir so gegen sechs, gegangen ist sie kurz vor zehn.“ 
    „Haben Sie sie nicht begleitet?“ 
    „Nein.“ 
    „Sonderbar. Warum?“ 
    „Sie hat es abgelehnt. So sind unsere Begegnungen immer, wissen Sie. Anfangs ist sie nett, alles ist wie früher, dann weint sie und wirft mir vor, ich hätte ihr Leben zerstört. Und am Ende wird sie böse. Was soll ich machen?“ 
    Das schlägt nicht in mein Fach, da kann ich ihm keinen Rat geben. Mein Fachgebiet ist, Fragen zu stellen.
    „Und solange Sie in Ihrem Zimmer waren, hat da etwas Ihre Aufmerksamkeit erregt? Etwas, das in Beziehung zu Ihrem Nachbarn aus derselben Etage stehen könnte?“ 
    „Nein, nichts.“ 
    „Gut, das wäre alles. Eine letzte Frage. Was arbeiten Sie in der Provinz?“ 
    „Ich bin Landschaftsgärtner in der Normandie. Kümmere mich um die Bodenhaltung und Anpflanzung in dortigen Parks. Viel zu tun, viel Laufereien ...“ 
    „Für wie lange sind Sie jetzt in Paris?“ 
    „Der Dienstreiseauftrag ist für drei Tage, aber ich werde wohl länger bleiben müssen, weil ich, wie es aussieht, nicht alles werde erledigen können.“ 
    Ich gebe ihm meine Telefonnummer.
    „Bevor Sie abfahren, müssen Sie sich bitte bei mir melden. Unter allen Umständen. Und eine Bitte: Lassen Sie Ihre ehemalige Gattin wissen, dass ich sie sprechen möchte.“ 
    Molière sieht mich feindselig an.
    „Wenn Sie ihr diese ... Demütigung ersparen könnten, wäre ich Ihnen unendlich dankbar. Ich habe Ihnen alles gesagt, die reine Wahrheit.“ 
    Ich schlucke das Wort „Demütigung“ herunter. Ein bisschen mühsam, aber ich tue es. 
    „Das glaube ich Ihnen. Es geht aber darum, dass dieselben Dinge von verschiedenen Leuten betrachtet, verschieden aussehen. Außerdem ist Ihre geschiedene Frau allein weggegangen. Es könnte sein, dass sie auf dem Gang oder auf der Treppe etwas bemerkt hat, das für uns von Bedeutung ist.“ 
    „Gut, das müssen Sie wissen. Wenn es wichtig ist. Ich sage Ihr, dass sie sich gleich morgen bei Ihnen melden soll. Dürfte ich bei dem Gespräch zugegen sein?“ 
    „Besser nicht.“ 
    Molière hebt die Schultern. In dieser Bewegung liegt Misstrauen mir gegenüber, Zorn auf den unsinnigen Zufall, der ihn in diese Geschichte verwickelt hat, und ein bisschen Pose: Mag werden, was will.
    Wir wechseln noch ein paar belanglose Sätze und trennen uns.
    Molière geht die Treppe hinunter, und wenig später sehe ich ihn unten zwischen Passanten auf der anderen Straßenseite. Ich lege eine Münze auf den Tisch und begebe mich zur Rezeption, um nachzufragen, was mit meiner letzten Begegnung aus der „kleinen Etage“ geworden ist – der mit der Familie Schultz. 
    Nichts ist daraus geworden. Die Schultzes sind nicht ins Hotel zurückgekommen. Sie sind gleich morgens mit ihrem Wagen weggefahren und haben vielleicht irgendwo auswärts zu Mittag gegessen. Das Zimmer ist nicht freigegeben. Also kann man annehmen, dass sie zum Abendessen wieder da sein werden.
    Annehmen heißt noch nicht, dass es sicher ist. Ich lege Wert darauf, dass die Leute aus der „kleinen Etage“ auf jeden Fall nicht allzu weit weg von mir sind und uns das Versäumnis vom Morgen mit Herrn McBail nicht ein zweites Mal unterläuft. 
    Dieser mein Wunsch zieht ein paar Telefongespräche nach sich, die ein paar weitere zur Folge haben werden. Dann schaue ich auf meine Uhr, und da ich im Hotel

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