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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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dieser Hinsicht unterrichtet. So beharrlich in der Nacht anzurufen und dann plötzlich das Interesse an Delacroix’s Person zu verlieren? Dieses Verhalten fällt in gewissen Punkten mit einer meiner Hypothesen zusammen, aber nicht mehr. 
    „Das Zimmer des Schweizers?“ 
    „Ist überprüft, Dr, Bouché. Magere Sache.“ 
    Ich habe auch nicht wer weiß was erwartet.
    „Ist er abgereist? Bestimmt?“ 
    „Jawohl. Ich habe es auf dem Flugplatz überprüft.“ 
    Herr McBail ist also auf seiner archäologischen Tour. Ich liebe die Genauigkeit. Nur gut, dass Sophie bloß mit der Passkontrolle auf dem Flugplatz gesprochen hat und nicht auch mit der altägyptischen Dame von der Amira Air. Solche kann sie nicht ausstehen, und ich hätte hinterher den Ärger.
    „Hast du den Restaurantkellner gefunden, der gestern Abend Delacroix bedient hat?“ 
    Auf Sophies Gesicht erscheint ein gequälter Ausdruck. Ich kann nicht anders, als sie bedauern, denn ich weiß, was ich ihr da für einen scheußlichen Auftrag gegeben habe. „Ist nicht da“, „Hat heute seinen freien Tag“, „Das war nicht mein Tisch“ und das alles krönende „Ich kann mich nicht erinnern“. 
    „Ich will das Personal jetzt befragen. Sie kommen gleich die Tische eindecken.“ 
    Ich habe allen Grund, darauf zu bestehen, dass der Auftrag bis zu Ende ausgeführt wird. Bis jetzt ist Raphael Delacroix von einer Mauer umgeben. Wir kennen seine Kontakte nicht. Sociéte Générale und Amira Air sind keine Kontakte, die uns etwas Wesentliches geben werden. Aber er ist kein körperloser Geist gewesen. Folglich erscheinen die, die ihn gekannt haben, nicht auf der Szene, weigern sich, ihre Plätze als handelnde Personen einzunehmen. Vielleicht, weil sie ihre Rolle schon ausgespielt haben?
    „Hilft alles nichts!“, sage ich, „Mach weiter.“ 
    Sophie trabt zur Küche, ich beginne gelangweilt in den Prospekten zu blättern.
    „Gelangweilt“ ist in diesem Fall nicht das treffende Wort. Ich warte, dass es Zeit wird, eine Telefonnummer zu wählen. Und Prospekte ansehen ist ja nicht gar so unangenehm. Die ganze Welt liegt vor einem und lädt einen freundlich ein, sie zu besuchen. Mittelmeerstrände mit lustigen Schirmen – auf den Liegen darunter hübsche Mädchen. Apollos, die in Begleitung zarter Schönheiten alte, Efeu umwucherte Schlösser besichtigen. Nicht, dass ich etwas gegen die Strände und die Schlösser hätte, ich mag’s nur nicht, wenn man mich unverschämt anlügt.  
    Was in einem anderen Land verdient wird, wie die Slums und Ghettos aussehen, das steht nicht in den Prospekten. Und die schönen Ausflüge, nun, die bewahrt man kaum im Alltag. Wenn einige Zeit vergeht, stellt man verwundert fest, dass die Umrisse von San Marco im Bewusstsein leicht verwischt sind, der Tower von London in Nebel gehüllt und von der Akropolis fast nichts übrig geblieben ist. Geblieben ist im Gaumen der harzige Duft griechischen Weines, ein Städtchen mit engen, dunklen Gassen, die schreckliche Stille in einem Café, in dem längs der Wände schweigend Prostituierte stehen, oder das lärmende Stimmengewirr in einem venezianischen Hinterhof, klein wie eine Schachtel. 
    Unwillkürlich muss ich lächeln, als ich an dieses Höfchen denke mit der ewig gleichen Wäsche, die da wie Theaterdekoration hing. Aus zwei einander gegenüberliegenden Fenstern stritten sich mit Hingabe zwei Frauen, schlugen theatralisch die Fenster zu, rissen sie wieder auf und stritten weiter, und ihre Männer – offensichtlich ihre Männer – standen unten im Höfchen und schätzten schweigend die stimmlichen Gaben ihrer Ehefrauen ab. Wenn sie dessen überdrüssig wurden, verließen sie wortlos das Höfchen und gingen friedlich in die nächste Trattoria. Die Frauen knallten die Fenster ein letztes Mal zu und ließen sich nicht wieder blicken. Es hatte keinen Sinn mehr, das Publikum war gegangen. 
    Als ich Sophie zurückkommen sehe, ist es zu spät – ich bin in flagranti ertappt. Auf ihrem Gesicht ist nichts, sie ist verdächtig ernst, aber in ihren Augen funkeln ironisch Flämmchen. Nur der Umstand, dass ich beträchtlich ranghöher bin als sie, hält sie davon ab, mich zu fragen, wo ich denn hin möchte – auf die Bahamas oder nach Mallorca. 
    „Was gibt’s?“, stelle ich die dumme Frage, die man gewöhnlich stellt, wenn einem nichts einfällt. 
    „Ich hab ihn gefunden, Dr. Bouché. Einer der Kellner hat ihn nach dem Foto erkannt.“ 
    „Und?“ 
    „Delacroix hat gestern

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