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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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an seinem Tisch zu Abend gegessen.“ 
    „War er allein?“ 
    „Ja. Hat gegen halb zehn gegessen. Potaufeu mit Rindfleisch, eine Flasche Bordeaux, und was war’s noch ...“ 
    „Mach weiter“, sage ich, „das ist völlig unwichtig.“ 
    „Hat seine Rechnung beglichen und ist sitzengeblieben, um seine Flasche auszutrinken, sicherlich auch, um der Band ein Weilchen zuzuhören. Dann kam die Garderobiere und sagte dem Restaurantleiter, dass Delacroix am Telefon verlangt würde. Der Restaurantleiter fragte da und dort an den Tischen und fand ihn.“ 
    „Und dann?“ Ich stehe aus dem Sessel auf. 
    „Dann ging Herr Delacroix ans Telefon und sprach, es ist dort bei der Garderobe. Was er gesprochen hat, weiß die Frau in der Garderobe nicht, sie hat die Sprache nicht verstanden. Delacroix beendete das Gespräch und verließ das Restaurant.“ 
    „Ich will die Garderobiere sehen!“, sage ich. Die Anspannung hat alle meine Muskeln gestrafft. Das ist etwas Neues, etwas, was ich erhofft habe. Ich konnte aber nicht ahnen, dass es sich genauso zugetragen hat. 
    „Hier lang, Dr. Bouché.“ Sophie zeigt mir den Weg. 
    Die Garderobiere ist eine ältere, ruhige Frau, eines dieser unauffälligen kleinen Weibchen, die auf solchen Stellen geduldig die Jahre bis zur Rente absitzen. Sie ist sichtlich verwirrt, aber nicht aus Angst, eher wegen ihrer Bedenken, ob sie alles genauso wiedergeben können wird, wie es gestern Abend war. Ich bitte sie, mir die Episode der Reihe nach zu erzählen. 
    „Das Telefon steht hier, Dr. Bouchè“, beginnt sie, „und da rufen sie mich aus der Küche an, geh, hol mal den ran, geh, hol mal jenen ... so war es wieder. Würden Sie bitte, sagte sie, Herrn Delacroix ans Telefon holen lassen, es ist sehr wichtig.“ 
    „Wer hat das gesagt?“ 
    „Ich weiß nicht, es war eine Frau.“ 
    Sie zu fragen, ob sie französisch gesprochen hat, erübrigt sich. Sie kann keine andere Sprache.
    „Und wie hat sie gesprochen? Langsam oder so, wie wir sprechen?“ 
    „Mir ist nichts aufgefallen, Dr. Bouché. Sie sprach so wie wir. Würden Sie bitte den Herrn rufen lassen, sagte sie. Sie hat sogar den Namen wiederholt, weil ich ihn zuerst nicht verstanden hatte.“ 
    „Und?“ 
    „Nun, da ging ich den Kollegen Lacroix suchen. Der versteht sich auf diese Dinge.“ 
    Daran zweifle ich nicht. Ich kenne Jules Lacroix schon ziemlich lange, und unter Umständen, an die er sich nicht gern erinnert. Wir hatten miteinander zu tun und stehen jetzt in guten Beziehungen. So ist das mit den alten Kunden.
    „Danach?“ 
    „Der Kollege Lacroix fand den Herrn. Ich hatte den Hörer danebengelegt, er sprach etwas, und dann ist er gegangen.“ 
    „Hat er lange gesprochen?“ 
    „Nein, nein. Zwei, drei Sätze höchstens.“ 
    „Zeigte sich der Herr besorgt? Wie sah er nach dem Gespräch aus?“ 
    „Das weiß ich nicht. Es waren Leute da, ich weiß es nicht, Dr. Bouché.“ 
    Das ist alles, was aus der Garderobenfrau herauszuholen ist. Im Restaurant finden wir Jules Lacroix, und er bestätigt Punkt für Punkt, was sie gesagt hat. Über sein Gesicht huscht schlecht verhohlene Unruhe. Immerhin – wir sind alte Bekannte.
    „Ich habe nur diesen Herrn gesucht, weiter nichts“, sagt er in entschuldigendem Ton. „Ich versichere Ihnen, Dr. Bouché, nichts weiter! Wenn da was ist, ich hänge nicht mit drin, wissen Sie. Musste dieses verdammte Weibsbild ausgerechnet mich holen!“ Seine Beunruhigung schlägt in Feindseligkeit gegen die Garderobiere um, die ausgerechnet ihn geholt und in irgendeine Geschichte unbekannten, doch offenbar unangenehmen Charakters hineingezogen hat. 
    „Sei unbesorgt!“, beruhige ich ihn. „Ich weiß, dass du nicht mit drin hängst. Wenn etwas wäre, hätte ich dich nicht befragt, sondern mir allein weitergeholfen.“ 
    Das ist logisch, aber er ist immer noch misstrauisch.
    „Hör zu. Lacroix“, sage ich. „Du hast doch eine gute Beobachtungsgabe. Als du den Herrn gefunden hattest und ihm mitteiltest, dass er am Telefon verlangt wurde, war er da überrascht, oder hatte er das Gespräch erwartet?“ 
    „Er war überrascht.“ 
    „Bist du sicher?“ 
    „Absolut. Auf dem Gebiet, wissen Sie ... bin ich Fachmann.“ 
    Ich weiß. Jules hat ein sicheres Auge.
    „In welcher Sprache hast du mit ihm geredet?“ 
    „Ich hab’s auf Französisch versucht, aber da hat er ... deutsch hat er dann sofort verstanden.“ 
    Jules gehört zu jener Sorte Menschen, die von hundert

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