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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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Schritte vom Bett zum Schreibtisch, drei Schritte vom Schreibtisch zur Tür und wieder zurück. Am besten wäre vielleicht, ich ginge nach Hause und schliefe mal aus. Meine Frau hat mir was aufgetragen, das heißt, nicht meine Frau, sondern meine Tochter.
    Ich schiebe ziellos den Aschenbecher auf dem Tisch hin und her, danach ziehe ich die Vorhänge zurück und öffne die Balkontür. Hier werde ich die Lösung nicht finden, das weiß ich sehr gut, aber ich will wenigstens für ein Weilchen aus dem Zimmer hinaus. Die unsichtbare Anwesenheit des Ermordeten stört mich.
    Während im Westen, über dem Golfstrom, noch ein Streifen orangefarbener Himmel zu sehen ist, wird die Stadt bereits von ihren Schaufenstern mit bunter Werbung erleuchtet. Unten kriechen die roten Rücklichter der Autos über den Beton. Ich gäbe meinen rechten Arm für den Namen der unbekannten Besucherin!
    So ein Blödsinn, der Fall macht mich komplett verrückt. Raphael Delacroix ist nicht zufällig aus dem Weg geräumt worden, nicht nur, weil er jemandem unsympathisch war. So eine Operation hat ihr Ziel, dabei ist Delacroix’s Beseitigung nicht das Ende, sondern nur ein logisch mit den anderen Zügen verknüpftes Glied. Die Tarnung des Mordes als Selbstmord verbirgt die handelnde Person, der daran liegt, hierzubleiben! 
    Delacroix stirbt, die französische Police Nationale schließt die Akte, und dann folgt der zweite Zug. Andernfalls, wenn nur Delacroix’s Tod das Ziel gewesen wäre, hätte es keiner Verschleierung bedurft. Es ist viel einfacher, jemanden in den kriminellen Gassen Beiruts um die Ecke zu bringen als in Paris – dies auf jeden Fall. 
    Warum Paris?
    Hier hatte Delacroix mit jemandem Verbindung. Und dieser Jemand ist ständig hier. Er setzte Delacroix’s Erdentagen ein Ende und interessierte sich überhaupt nicht für die Drogen in dem Köfferchen, denn er hat sie nicht an sich genommen. Oder er konnte sie nicht an sich nehmen. Vielleicht hat ihn etwas daran gehindert? 
    Die Ketten der roten Rücklichter auf den Straßen vermehren sich, sammeln sich zu Strömen, dann teilen sie sich, und die Nebenstraßen nehmen sie geräuschlos auf. Die Stadt bereitet sich auf ihre Art auf die Nacht vor. Als der orangerote Streifen über dem Trocadéro sich völlig auflöst, leuchtet der Balkon zur Rechten auf. Frau Nilsson ist nach Hause gekommen, ihr Schatten durchquert ein paar Mal das gelbe, auf den Balkon fallende, Quadrat. Dann ist das scharfe Rasseln vom Zuziehen des Vorhanges zu hören, und das Quadrat schrumpft zu einem langen, schmalen Streifen.
    Ich lehne mich an die kühle Brüstung und schätze die Distanz ab. Heute Nacht habe ich diesen Gedanken verworfen, aber jetzt beschäftige ich mich erneut mit ihm: Kann man von dort aus bei Delacroix einsteigen? Und abermals verwerfe ich ihn. 
    Man müsste Nachtwandler sein, einer von denen, die geschickt wie Affen ungestraft auf Simsen entlanggehen, oder verteufelt mutig, um sich zu solch einem riskanten Unternehmen zu entschließen. Die Entfernung ist nicht gering – ein unsicherer Schritt bedeutet den sicheren Tod. Außerdem geht die Front zur Straße und ist hell erleuchtet. Wenn jemand versuchen sollte herüberzusteigen, würde man das von unten sofort bemerken.
    Nein, der Mörder ist kein Risiko eingegangen, er ist nicht über den Balkon gekommen. Das Verbrechen hat einen sicheren Weg erfordert, denn es wurde in genau bemessener Zeit verübt.
    Also noch einmal: Die Frauenstimme teilt etwas am Telefon mit. Das veranlasst Delacroix, in sein Zimmer hinaufzufahren. Mit keiner Silbe denkt er daran, dass er in eine Falle gerät. Vielleicht ist der Mörder bereits hier, vielleicht öffnet ihm Delacoroix selbst die Tür. 
    Die Frage ist, wie lange diese Szene gedauert hat, aber lange wohl kaum. Delacroix ist mit der tödlichen Dosis betäubt worden – mir ist immer noch unklar, wie das vor sich gegangen ist! –, dann wird der Selbstmord wohldurchdacht in Szene gesetzt, und danach braucht nur die Entwicklung der Ereignisse verfolgt zu werden. Wenn alles nach Plan verlaufen wäre, hätte der Selbstmord erst am nächsten Morgen, ja noch später entdeckt werden müssen.  
    Doch da geschieht das Unvorhergesehene. Legrand mit seiner Alterspedanterie und seinen Sinn für Ordnung mischt sich ein, und der Mord wird in einem unerwünschten Augenblick entdeckt. Und der junge Mann vom Etagendienst schließt den Kreis – zwischen zehn und zwölf Uhr nachts war kein Fremder da. Das war zu erwarten,

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