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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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denn ein Mörder, der einen Selbstmord vortäuscht, ist nie weit weg. Jeder aus der „kleinen Etage“ hat ein Alibi. Und ich besitze gegen niemanden Indizien. Ich habe lediglich ein paar reichlich verzwickte Hypothesen, die jeden Moment platzen können. 
    Ich muss gehen, es hat keinen Zweck, länger hierzubleiben. Ich trete ins Zimmer, beginne aber wieder unbewusst hin und her zu laufen. Vier Schritte vom Bett zum Schreibtisch, drei Schritte vom Schreibtisch zur Tür.
    Einer Sache bin ich mir gewiss: Der Mörder hat bereits seinen zweiten Zug vorbereitet, und der wird nicht lange auf sich warten lassen. Es kommt darauf an, dass ich ihn voraussehe. Vier Schritte vom Bett bis zum Schreibtisch. Was würde ich unternehmen, wenn ich Delacroix’s Mörder wäre? Wenn ich wüsste, dass ich rasch handeln muss, dass die Minuten gezählt sind? 
    Als ich meine Requisiten zusammenpacke und wirklich gehe, ist draußen schon tiefe Nacht.

11. Kapitel
     
     
    Ich wache mit dem klaren Bewusstsein auf, dass mir ein schwerer Tag bevorsteht. Bei mir zu Hause muss man das nicht unbedingt wissen, deshalb versuche ich beim Rasieren und Frühstücken die Rolle „Alles in Ordnung“ zu spielen. Sie glückt mir mit wechselndem Erfolg. 
    Louise schweigt argwöhnisch. Sie hat den Morgenkaffee eingeschenkt, durchs ganze Haus zieht der Duft von frischen Brötchen. Wenn mich bei meiner Frau immer noch etwas in Erstaunen versetzt, so ihre fast mystische Fähigkeit zu beurteilen, welche Augenblicke für Erörterungen im Familienkreis geeignet sind und welche nicht. Jetzt ist gerade kein allzu passender Moment, obwohl sie schrecklich gern eine brennende Frage aufwerfen würde, wie ich weiß: Ob wir diesen Sommer verreisen oder nicht. Sie wird vertagt.
    Ich verspreche, mittags nach Hause zu kommen, wenn nichts Wichtiges dazwischenkommt (das rituelle Versprechen!), und mache mich auf den Weg zu Sociéte Générale. Sophie hat für mich eine Begegnung mit Ledoux vor Arbeitsbeginn arrangiert.
    Nachdem ich am Eingang überprüft worden bin und vergeblich auf den Fahrstuhl gewartet habe, entschließe ich mich, aus eigener Kraft in die vierte Etage zu steigen, wo sich das Büro von Jules Ledoux befindet. 
    Es ist leicht zu finden. An der Tür hängt ein Täfelchen. Oben steht der Name von Jules Ledoux, stellvertretender Abteilungsleiter, darunter vier weitere Namen. Offenbar leidet man hier nicht unter Überfluss von Räumen.
    Ich klopfe und öffne die Tür. Ein Zimmer, mit Schreibtischen vollgestellt, von denen vier leer sind.
    Hinter dem fünften sitzt ein kleiner, dicklicher Mann mit rundem Gesicht und krausem Haar. Als ich eintrete, hebt er den Blick und legt automatisch den Finger auf die Zeile, die er in irgendeiner Akte liest.
    „Herr Ledoux?“ 
    „Ja.“ 
    Ich stelle mich vor, Ledoux springt auf, nimmt den Stuhl seines Kollegen vom benachbarten Schreibtisch und stellt ihn vor seinen.
    „Setzen Sie sich bitte. Eine Enge ist das hier ... Aber wir ziehen bald um. Wir haben ein neues Gebäude, Sie wissen doch?“ 
    Ich bestätige es sofort; in solchen Fällen muss man ja sagen. Sonst gehen zehn Minuten verloren, in denen der liebenswürdige Hausherr einem erklärt, wo das Gebäude ist, wann sie umziehen, welche Fläche seiner Abteilung zugestanden worden ist und sämtliche Wechselfälle der punischen Kriege, die im Betriebsrat um die Verteilung der Zimmer geführt worden sind. Ich habe nicht die Absicht, mir Berichte über Bauthemen anzuhören, deshalb gehe ich sofort zum Angriff über.
    „Sie kennen Herrn Raphael Delacroix von der Firma Lombardia, nicht wahr?“ 
    „Kennen kann man nicht sagen“, stöhnt Ledoux sofort. 
    „Wie das?“ 
    „Ich hatte nur dienstliche Kontakte mit ihm.“ 
    Meinetwegen. Mir geht es nicht um Formulierungen, sondern um die Kontakte.
    „Aber Ihre Abteilung korrespondiert doch mit der Firma?“ 
    „Bis zu einem gewissen Grade.“ 
    Ich könnte aus der Haut fahren! Das ist kein Gespräch, das ist die reinste Akrobatik. 
    „Und aus diesem Anlass hat Sie Herr Delacroix aufgesucht?“ 
    „Ja.“ 
    „Wie oft?“ 
    Hier ist nun mit Akrobatik nichts mehr zu machen. Jetzt muss er genau sein.
    „Drei- oder viermal. Ich glaube vier.“ 
    „Das letzte Mal war vorgestern, nicht wahr?“ 
    „Ja. Zuerst hat er beim Chef angerufen, dann ist er gekommen.“ 
    „Wie war das Gespräch?“ 
    Ledoux überlegt einen Augenblick, dann sagt er: „Nichts von Bedeutung. Ich habe ihn zusammen mit meinem

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