Kobra
Kollegen empfangen.“ Ledoux nickt zum Nachbarschreibtisch hin, von dem er den Stuhl entwendet hat. „Ich weiß nicht, ob es nicht besser wäre, wenn ich zusammen mit dem Kollegen ... wenn Sie ein wenig warten wollten ...“
Ich beeile mich, ihn zu beruhigen, dass es nicht erforderlich ist, mir die Verhandlungsdelegation mit Delacroix in voller Personalstärke vorzuführen, da ich nur ein paar allgemeine Auskünfte benötige, die er mir auch selbst geben könne.
Ledoux indes ist auf der Hut. „Was für Auskünfte möchten Sie speziell?“
„Die Offerten der Lombardia und die Liste der angebotenen Chemikalien.“
„Selbstverständlich!“ Ledoux streckt seine Hand zum Computer aus und ruft die Seite auf. Auf dieser Seite ist alles wohlgeordnet, mit Ordner und Unterordner. Er vergrößert sie.
„Hier sind die Angebote. Die Übersetzungen liegen bei.“
Eine normale Handelskorrespondenz.
„Im Besitz Ihres Schreibens vom Soundsovielten haben wir die Ehre, Ihnen mitzuteilen ...“ (Sie teilen mit, dass sie etwas anzubieten haben).
„In Beantwortung Ihres Schreibens vom Soundsovielten haben wir die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass ...“ (Sie teilen mit, dass sie keinerlei Bedarf an diesem Etwas haben.)
Kurz und gut – Geschäftskorrespondenz.
„Würden Sie mir sagen, welchen Eindruck die Firma Lambardia macht? Und der Herr Delacroix?“
„Die Firma hat einen guten Kredit. Und der Herr Delacroix, wie soll ich sagen, eigentlich sieht er seriös aus und trotzdem ...“ Ledoux hält inne. Er überlegt, ob er nicht zu viel gesagt hat.
„Herr Delacroix hat vorgestern Selbstmord begangen!“, platze ich heraus.
Ledoux reißt die Augen auf. Etwas hat er ja erwartet (weshalb sollten wir ihn sonst aufsuchen?), aber das nun doch nicht.
„Selbstmord? Ja, warum denn?“
„Das möchte ich auch wissen.“
„Schau an!“ Ledoux ist verwundert und besorgt. Ein Selbstmord, der, wenn auch nur mittelbar, etwas mit seinem Büro zu tun hat, kann zur Quelle unerwarteter Unannehmlichkeiten werden.
„Wie liefen Ihre Verhandlungen?“
„Nun ja, wir haben Gespräche geführt. Unsere Abteilung muss nach unserem Vorstand andere Chemikalien einführen, aber ihre Angebote waren trotzdem interessant.“
„Verstehe. Unternimmt die Lombardia schon länger Schritte, um mit Ihnen ins Geschäft zu kommen?“
„Seit vergangenem Jahr.“
„Waren auch andere Leute der Firma hier?“
„Ja, interessieren Sie die?“
„Ich bitte darum.“
Ich warte das Manipulieren mit der Computerseite ab und bekomme zwei Auskünfte. Andere Namen.
Ich hole meinen Notizblock hervor und schreibe mir die Daten auf. Ich werde mich wohl auch heute mit der altägyptischen Dame von der Amira Air treffen müssen. Was will man machen, der Dienst verlangt Opfer. Ich möchte zu gern erfahren, ob Herr Neumann nicht zufällig zu diesen Zeiten ebenfalls auf Reisen war.
Ich gebe Ledoux die ausgedruckten Unterlagen zurück.
„Danke. Und wie weit sind Sie nun mit Herrn Delacroix gekommen?“
„Wie weit? Nun, dass wir die Kontakte weiter führen. Sie werden uns über ihre neuen Produkte informieren und Prospekte schicken.“
Diese Firma hat offenbar reichlich Gelder für Dienstreisen.
„Gut“, sage ich zum Abschluss, „ich danke Ihnen sehr. Falls es notwendig werden sollte, suche ich Sie noch einmal auf, Herr Ledoux.“
Ich kann mir vorstellen, wie Herr Ledoux sich freuen würde, mich öfter zu sehen. Ich steige die Treppe hinunter und versuche, die erhaltenen Auskünfte zu bewerten. Die Lombardia unterhält ihre Verbindung zu Sociéte Générale weiter, ungeachtet dessen, dass die Vorstände keine allzu große Neigung zeigen, mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Es ist klar – man sucht Vorwände, um diese Reiseroute zu nehmen. Aber es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Firma völlig seriös ist und Delacroix auf eigene Rechnung geschmuggelt hat.
Ein Blick auf die Uhr – ich muss mich beeilen, das bedeutet: Ein Gang zur Dienststelle, je ein Gespräch mit Sophie und Dupont, ein paar Telefonate und ein Fax, das mir im letzten Moment gebracht wird, bevor ich mich auf den Weg zum Hotel begebe. Das Fax ist kurz, aus Athen, unterschrieben von Antonio Delacroix. Er teilt mit, dass er unverzüglich kommen werde, mit dem Flieger heute um zehn Uhr. Also werde ich gegen zwölf das Vergnügen haben. Ich muss sofort Maria anrufen. Sie soll jemanden mitnehmen, ihn abholen und unterbringen. Ich möchte
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