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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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Nie hätten wir gedacht, dass so ein Unglück mit ihm geschehen würde.“ 
    „Entschuldigen Sie, ich möchte Sie bitten, dass Sie sich ganz genau erinnern. Trug der Herr etwas bei sich?“ 
    „Ich glaube ja.“ Herr Schultz schaut seine Frau Bestätigung heischend an. „Eine Tasche oder ...“ 
    „Eine etwas größere Tasche“, ergänzt Frau Schultz sicher. Sie scheint die nächste Frage zu erraten und fügt hinzu: „Eine Tasche wie ein Köfferchen.“ 
    Bleibt mir nur noch zu fragen, was mir am wenigsten zusteht, ob ihnen Paris gefallen hat. Schultz versteht die Anspielung, und nachdem er maßvoll die Grünanlagen, den Eiffelturm und die breiten Straßen gelobt hat, teilt er mir mit, dass sie übermorgen nach Cannes fahren werden. 
    Die Minuten nach der Trennung von Familie Schultz widme ich einem Telefongespräch. Es hat den bescheidenen Zweck, einzelne Punkte vom Tagesprogramm einer meiner Bekannten zu klären. Es berichtet einer meiner Mitarbeiter, dessen Team nicht untätig war.
    Die Erläuterungen erfassen allerlei Einzelheiten wie: Einkauf von Souvenirs, Besuch der Kathedrale Notre-Dame, Fotos von Sacré-Coeur de Montmartre und im Profil und so fort. Meine Bekannten aus der „kleine Etage“ sind spazieren gewesen, warum sollten sie auch nicht. Ich schnüffle oft im Tagesablauf von ordentlichen Leuten herum, was manche verwerflich finden. Aber es ist ebenso verwerflich, dich an einen Selbstmord glauben zu lassen, wenn du in diesem Punkt anderer Meinung bist. So ist das, die Probleme der Ethik nehmen beim Vorhandensein eines Toten infolge eines „Wirkstoffs der Morphingruppe“ etwas dunklere Nuancen an. 
    Sicherlich sehe ich recht sorgenvoll aus, als ich ins Foyer zurückkehre. Das Mosaik ist also da und dort ergänzt. Wenn wir Raphael Delacroix’s gestrigen Tag zurückverfolgen, sieht das etwas so aus: 
    Ankunft – gegen Mittag. Beziehen des Zimmers bis gegen 13.30 Uhr. Besuch bei Sociéte Générale und im Büro der Amira Air – bis gegen 17 Uhr. Kleiner Spaziergang durch die Stadt. Rückkehr ins Hotel – 18 Uhr. Erneutes Ausgehen – 20 Uhr. Abendessen gegen 21 Uhr. Ende des Abendessens, markiert durch den Anruf der liebenswürdigen Frauenstimme am Telefon der Garderobe – nach 22 Uhr. Rückkehr ins Zimmer gegen 22.30 Uhr. 
    Tod gegen Mitternacht.
    Wer kann bei diesem Tod die Hände im Spiel gehabt haben?
    Alles in der „kleinen Etage“ ist unendlich still und friedlich. Frau Nilsson liest, während eine Fremde Delacroix besucht, McBail schläft, weil er abreisen will und auch wirklich abreist. Die beiden Ehepaare – Poletti und Schultz – schlafen. Molière raucht nach seinen verworrenen Geschichten sicherlich eine Zigarette nach der anderen, in Selbstanalysen versunken. Neumann verlässt die Etage und kommt wieder, ohne irgendwelche Erklärungen zu geben. 
    Abermals steigt in mir instinktive Feindseligkeit gegen ihn auf.
    In dieser Minute bin ich bereit, eine Wette einzugehen, dass Neumann, der obendrein mit Delacroix im selben Flugzeug gesessen hat, in seinen Tod verwickelt ist. Wenn ich jedoch nachdenke, verlässt mich meine ursprüngliche Sicherheit. Ich wäge sein heutiges Verhalten mir gegenüber ab. 
    Bestünde eine Verbindung zu dem toten Delacroix, hätte er sich unendlich dumm benommen. Ein normaler Mensch würde nicht mit so einem hochfahrenden Benehmen den Verdacht auf sich lenken. Der hätte sich anders verhalten. Ruhig und vernünftig hätte er alles erklärt, seine Bereitschaft zur Mitarbeit gezeigt und wäre verduftet, wenn er Gefahr gewittert hätte. Nein, Neumann ist sicher, dass ihm keinerlei Gefahr droht. Und dumm ist er auch nicht, trotz seines glatten Gesichts.
    Jetzt steht mir noch das Letzte an diesem langen Tag bevor. Ich gehe langsam auf den Fahrstuhl zu und versuche mir vorzustellen, ich sei Delacroix.
    So, ich bin Delacroix. Raphael Delacroix von der Firma Lombardia. Ich reise im Auftrag der Firma nach Wien und nehme den Weg über Paris, um vielleicht doch einen Abschluss zu tätigen. Die Angelegenheiten der Firma sind ein Teil meines Lebens. Der andere hängt mit diesem Container zusammen, den ich in meinem Köfferchen ständig bei mir trage. Niemand hat mich in Verdacht, niemand weiß etwas von mir. Morgen früh reise ich ab und bringe die Drogen dorthin, wo man sie erwartet und sie eine anständige Summe bringen werden. Ich habe sogar die Rezeptionistin gebeten, mich beizeiten zu wecken, damit ich mein Flugzeug nicht verpasse. 
    Der Fahrstuhl

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