Kobra
Hintergedanken, wie ich gestehen muss. Es gibt hübsch geschliffenen Schmuck, von dem man weiß, dass er hübsch ist, und der trotzdem nicht das Verlangen weckt, sich an ihm zu erfreuen. Das ist keine Frau, sondern ein Roboter in Gestalt einer schönen Frau. Alles ist unendlich abgewogen und genau, für jeden Moment gibt es die entsprechende Handbewegung, das entsprechende Neigen des Kopfes oder den entsprechenden Blick – Dinge, die gleichsam seit Jahren vorgeschrieben sind und so unverändert viele Jahre bleiben können. Ich kann nicht anders, als den Anblick bewundern, vor allem aber achte ich auf die Buchungsseiten.
Die Fenner merkt sofort, dass ich sie beobachte – Frauen haben dafür einen sechsten Sinn! –, und reagiert augenblicklich, das heißt, sie trägt völlige Gleichgültigkeit zur Schau. („Wenn Sie wegen der Listen gekommen sind, dann kümmern Sie sich darum!“)
Und das tue ich. Nach fünfzehn Minuten ist mir schon klar, dass ich nichts finden werde. Von meinen Bekannten aus der „kleinen Etage“ hat niemand einen Platz nach Wien oder Stockholm gebucht. Eigentlich will ich gerade das wissen. Wie ich schon Gelegenheit hatte darzulegen, ist auch das negative Ergebnis ein Ergebnis.
Ich betrachte noch ein Weilchen die Flugzeuge an den Wänden, stehe auf und rücke den Bildschirm wieder in ihre Richtung.
„Sie sind fertig?“, fragt der schöne Roboter unbeteiligt.
Ich antworte nach Protokoll und wende mich zum Gehen mit dem Hinweis, dass ich vielleicht noch einmal ihre Dienste für einige Auskünfte werde in Anspruch nehmen müssen. Diese Eröffnung wird ohne Enthusiasmus, aber auch ohne sichtbare Verärgerung zur Kenntnis genommen. Wer weiß, was für Gedanken hinter dem Fresko stecken.
Ich folge meiner Route, die an diesem Morgen einen Besuch in der Nationalgalerie vorsieht. Nach den Listen der Amira Air brauche ich ein wenig Abwechslung – ich möchte mich ein wenig mit einigen deutschen Nachschlagewerken beschäftigen.
Darin sind mit deutscher Pedanterie alphabetisch, nach Sachgebieten, wissenschaftlichem Rang und Ländern sämtliche Universitäten und wissenschaftlichen Institute aufgeführt, einschließlich des Lehrstuhls für Rhetorik im Großherzogtum Luxemburg und des Instituts für Seerecht in Monaco. Immer habe ich diese Ausführlichkeit und Geduld bewundert, die nötig sind, um solch ein Nachschlagewerk zusammenzustellen. Und solche Bücher erscheinen jedes Jahr, und zwar mehrere in verschiedenen Ländern.
Bis zur Bibliothek ist es nicht weit – im Sommer gibt es in Paris keine großen Entfernungen.
13. Kapitel
Mittags bin ich bereits in der Dienststelle und bester Stimmung, Patiencen zu lösen. Es gibt neue Elemente, die in das Bild gefügt werden müssen. Der verdächtige Besuch in Frau Nilssons Zimmer und ihr verständlicher Wunsch, rasch abzureisen, der Versuch, das Zimmer des Ehepaares Poletti zu durchsuchen und die Computerseiten der Amandine, die sie mir so freundlich ausgedruckt hat. Alles das ruft komplizierte Verschiebungen in der Patience hervor, über die ich den Minister sofort unterrichten muss.
„Unterrichten“ ist nicht gerade das passende Wort – ich muss die Theorie verteidigen, die ich aufgestellt habe.
Dieses Mal dauert das Gespräch mit dem Minister bedeutend länger. Da gibt es Einwände und Gegenargumente, blitzschnelle Rückfragen, während wir nachdenklich durch das Zimmer wandern. Sogar einen Film gibt es – jenen Film, den Sophie letzte Nacht gemacht hat. Die schwachen Stellen der Theorien kommen unfehlbar zum Vorschein, aber niemand hat je behauptet, dass Theorien keine schwachen Stellen haben dürfen.
Die Frage „Was schlägst du vor?“ wird nun in allen möglichen Variationen gestellt.
Und ich schlage vor. Die Auswahl ist nicht groß, doch eine gewisse Bewegungsfreiheit zum Handeln bleibt mir doch. Schlecht ist nur, dass ich keine Zeit habe.
Ich kehre in mein Zimmer zurück, und das Klingeln des Telefons empfängt mich schon in der Tür. Maria ruft aus dem Hotel „Lafayette“ an. Es stellt sich heraus, dass nicht Antonio Delacroix mit dem Flieger aus Athen eingetroffen ist, sondern sein Rechtsanwalt, Herr Panaridis, der mich sofort sehen möchte.
Nicht weiter erstaunlich, Dr. Delacroix wird sich nicht selbst auf die Reise begeben, noch dazu in einer unangenehmen Angelegenheit, die mit so vielen Laufereien und Formalitäten verbunden ist, aber ich hätte es dennoch vorgezogen, mit ihm und nicht mit seinem
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