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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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versucht hat aufzuschließen, hat sofort den Schlüssel herausgezogen, und dann war nichts mehr. Meine Frau hat Angst bekommen und sich nicht getraut, aus dem Bett zusteigen. Dann kam sie zu dem Ergebnis, dass es vielleicht das Zimmermädchen gewesen war. Ja, das ist es.“ 
    „Wann ist das alles passiert, Herr Kollege?“ 
    „Sie kann es nicht sagen, hat nicht daran gedacht, auf die Uhr zu schauen. Aber so gegen vier, halb fünf.“ 
    Als ich also nicht im Hotel war.
    „Was meinen Sie, caro Collega“, ich weiß schon, was Poletti fragen wird, „hat das etwas mit dem Tod des älteren Herrn zu tun?“ 
    „Machen Sie sich keine Sorgen.“ 
    Doktor Poletti wäre offensichtlich viel ruhiger gewesen, wenn ich ihm gesagt hätte, dass da kein Zusammenhang besteht, aber ich möchte ihm nichts vormachen. 
    „Wir hätten nichts darauf gegeben“, sagt Doktor Poletti, „aber jetzt, verstehen Sie ...“ Und er sieht wieder seine Frau an. 
    „Ich danke Ihnen sehr. Ist noch etwas, das Ihnen aufgefallen ist?“ 
    „Nein, weiter nichts. Ich bin nicht viel im Hotel. Für diese Tage sind so viele Begegnungen vorgesehen! Die Kollegen, die das Programm vorbereitet haben ...“ 
    Es folgen Beschwerden über das Programm, das gewissermaßen für Maschinen gemacht worden sei und nicht für Menschen, und dass die eigentliche Arbeit auf wissenschaftlichen Konferenzen nicht durch die Vorträge geleistet werde, sondern bei freundschaftlichen Gesprächen im kleinen Kreis von Spezialisten bei einer Tasse Kaffee. 
    Unser lateinisches Esperanto erweist sich imstande, solch komplizierte Sätze wiederzugeben, sodass sogar ich mich wundere.
    Signora Poletti sitzt die ganze Zeit schweigend dabei, nippt an ihren Orangensaft und verfolgt andächtig alles, was ihr Mann sagt, obwohl sie kaum allzuviel davon verstehen dürfte. Ich denke mir, wenn es irgendwo einen Lehrstuhl für Takt in der Ehe gäbe, wäre Signora Poletti dort Professor.
    Nach und nach erfahre ich, dass das Symposium bis Samstag dauern wird, dass es mit einem Festbankett im Hotel „Lafayette“ abgeschlossen wird, am Sonntag und Montag werden die Gäste den Louvre sowie die Kathedrale Notre-Dame besuchen, und am Dienstag reist das Ehepaar Poletti ab. Er könne nicht länger bleiben, obwohl er von hiesigen Kollegen eingeladen worden sei. In der nächsten Woche müsse er Vorlesungen in irgendeinem Kurs halten, und die können nicht verschoben werden. Nachdem die meisten Themen um das Symposium erschöpft sind, schaut Signora Poletti ihren Mann auf besondere Art an, er seinerseits blickt auf die Uhr und springt auf.  
    Da gibt es nichts zu erklären, die Mahnung kam offenbar gerade zur rechten Zeit, denn der Doktor verkündet, er komme schon zu spät zu einer Verabredung. Aber es wäre ihm sehr angenehm, wieder mit mir zusammenzutreffen, falls ich, versteht sich, das für erforderlich halte und Zeit habe ...
    Ich danke ihnen, und die beiden brechen auf. Ich indes hole meinen Notizblock hervor und versuche herauszufinden, wer von der „kleinen Etage“ gestern Nachmittag zwischen vier und fünf im Hotel war. Nichts Tröstendes. Wie es aussieht, alle, bis auf Familie Schultz. 
    Ich stehe auf und begebe mich zum Büro der Amira Air. Es ist Zeit. Ich verzehre mich danach, die Ägypterin zu sehen – genauer, ihre Reservierungslisten.
    Das Milieu ist dasselbe. Die in Rhomben zerstückelten Flugzeuge an den Wänden, der auf Hochglanz polierte Spiegel und der Teppich, der die Schritte dämpft.
    Die Fenner empfängt mich zurückhaltend. Ich erkläre, dass ich sie leider noch einmal belästigen muss, aber ich brauche noch ein paar Auskünfte.
    „Bitte!“, sagt sie. Sie sagt es aus Gewohnheit – wieder dieses „Bitte“, nach dem einem nichts weiter übrig bleibt, als das so hübsch eingerichtete Büro zu verlassen. Aber ich habe nicht die Absicht, mich von Tonnuancen beeinflussen zu lassen. 
    „Was genau interessiert Sie?“, fragt die Fennerin in etwa demselben Tonfall. 
    „Ihre Reservierungen für den Monat.“ 
    „Auf welchen Linien?“ 
    „Ich sehe alle durch.“ 
    Die Fenner sieht mich an wie einen stillen Irren, zieht aber die Seite auf dem Monitor zu mir herum.
    „Da, bitte.“ 
    Ich bedanke mich, wie es sich gehört, und lasse mich auf dem Sessel nieder, dessen rein dekorativer Zweck offensichtlich ist. Ich lege die Maus auf das Tischchen und beginne, eine Seite nach der anderen umzublättern. Dabei studiere ich Amandine, ohne die geringsten

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