Koch zum Frühstück (German Edition)
Arbeitsplatte. Kurz blicke ich auf den Bildschirm, aber eigentlich interessiert es mich nicht wirklich, was er da schreibt.
»Hi!«, erwidert er und wir mustern uns. Von oben nach unten und wieder zurück, als wollten wir einen Konkurrenten abchecken. Was idiotisch ist, denn er teilt seinen Kerl ja sowieso und ich hab' einen Freund und somit keinen Bedarf.
Er ist älter als ich, älter als David und vermutlich auch älter als Dirk, ich schätze ihn auf Ende dreißig oder Anfang vierzig, aber vielleicht wirkt es auch nur so, weil er schon ziemlich viele graue Haare zwischen den hellbraunen Strähnen hat. Er ist ordentlich rasiert, riecht unverkennbar nach dem Aftershave, das ich vorhin im Bad schon nicht mochte, und ist
ziemlich akkurat gekleidet.
Er ist nicht so schlank wie David und schätzungsweise auch nicht so sportlich. Wenn ich das richtig sehe, hat er einen kleinen Bauchansatz. Und er trägt zu meiner Verwunderung keine Brille. Komisch, irgendwie hätte ich die jetzt erwartet. Aber irgendwie sieht er auch ohne schon ziemlich konservativ aus. Ich schätze, er ist Jurist, jedenfalls sieht er aus wie einer. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass David erwähnt hat, was er beruflich macht. Im Grunde hat er eigentlich kaum was über ihn erzählt und ein bisschen hätte ich ihn mir attraktiver vorgestellt.
»Ich… meine Klamotten sind vorhin nass geworden. Habt ihr vielleicht irgendwo eine Tüte, oder so?«, frage ich zögerlich und zwinge mich zu einem Lächeln.
»Da drüben im Schrank.« Er weist mit dem Kopf unbestimmt und ziemlich desinteressiert in Richtung der Küche. Keine Ahnung, welchen Schrank er genau meint, vermutlich kann ich mir einen aussuchen.
»Okay.« Ich gehe um den Block herum und ziehe den erstbesten Schrank auf. Tüten finde ich darin allerdings nirgendwo.
»Zwei weiter links«, kommt es von hinten.
»Danke!« Ich öffne besagte Tür und tatsächlich werde ich fündig. Greife nach einer der Plastiktüten, die in einer Vorrichtung in der Tür sind, und drehe mich wieder um.
»Können wir dann?« Es ist David, der zurückkommt, mit zwei Büchern und ein paar Zetteln in den Händen.
»Klar«, bemühe ich mich lässig zu klingen, greife schnell nach meinem Shirt und stopfe es, mitsamt meiner Jacke in die Tüte. Sie ist ein bisschen klein, aber egal, bis runter ins Auto geht's.
»Bis heute Abend!«, sagt er. Das gilt dann wohl seinem Typen.
»Hm«, brummt der nur und hebt lustlos den Arm. Nicht grade eine sonderlich leidenschaftliche Verabschiedung in meinen Augen. Auch wenn ich David jetzt nicht so einschätze, dass er seinem Kerl vor Publikum die Zunge in den Hals schiebt, liebevoll ist irgendwie anders. Aber vermutlich ist liebevoll in ihrer Beziehung nicht wirklich vorgesehen.
***
»Schnallst du sie an?«, fragt er vom Vordersitz, als ich wieder neben Stella auf der engen Rückbank Platz genommen hab'.
»Klar!« Ich beuge mich zu ihr rüber und stecke den Gurt ein, während er den Motor startet, schnalle mich dann selbst an und lehne mich zurück. Ich kann seinen Nacken sehen und sein Haar. Seine Hand, die das Radio einschaltet, und dann seine Finger, die im Takt der Musik leicht auf das Lenkrad trommeln.
»Was machst du morgen?«, frage ich nach ein paar Minuten, weil ich mich die kurze Zeit, die ich noch mit ihm zusammen bin, eigentlich gerne noch ein bisschen mit ihm unterhalten will.
»Hab' frei«, antwortet er knapp.
»Bock, vielleicht den Zoo nachzuholen, wenn es nicht regnet?«, wage ich einen Vorstoß. Ich hoffe, das ist nicht zu plump…
»Keine Zeit«, erwidert er, ohne wirklich drüber nachzudenken. »Ich hab' schon was vor.«
»Oh…« Ich fürchte, ich klinge ein bisschen enttäuscht. Hört sich nicht unbedingt so an, als stünde ihm der Sinn nach einer weiteren Verabredung. Vermutlich bin ich nicht sein Typ. Oder er findet mich spießig oder… ach, scheißegal…
»Ich gehe mit Stella zwei Kindergärten anschauen, in die sie vielleicht fürs Vorschuljahr kann«, erklärt er. »Und danach muss ich mich um die Wohnungsauflösung meiner Schwester kümmern und außerdem noch mal eben ins Bestattungsinstitut wegen einiger Formalitäten.« Den letzten Teil des Satzes sagt er leise, vermutlich in der Hoffnung, dass sie mit dem Wort ‚Bestattungsinstitut‘ nicht viel anfangen kann. Kann sie scheinbar tatsächlich nicht, sie drückt ihren Hasen an die Brust und sieht schläfrig aus dem Fenster.
»Ich kann so lange auf sie aufpassen«, biete ich
Weitere Kostenlose Bücher