Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
das strafbar?«
»Ich habe wenig Zeit, mich mit Ihnen zu befassen.«
»Wer konnte damit rechnen, daß Sie sich einmal um das Gestüt kümmern? Mit Ihnen wollte ich gar nicht sprechen, Herr Baron.«
Von Sencken zog die Schultern hoch. Das war eine eklatante Frechheit! »Dann reiten Sie weiter.« Seine Stimme zitterte verdächtig. »Haben Sie nichts zu tun, Kochlowsky?«
»Mehr als Sie …«
»Heben Sie sich Ihr flegelhaftes Benehmen gefälligst für Ihre polnischen Arbeiter auf!« brüllte von Sencken plötzlich. Der angestaute Zorn explodierte in ihm. »Scheren Sie sich weg zu Ihren Rüben, wo Sie hingehören!«
Leo Kochlowsky unterdrückte mühsam den Wunsch zurückzubrüllen, obgleich es ihn im Hals juckte. Er sah Baron von Sencken nur aus seinen stechenden Augen an, machte eine leichte Verbeugung, die nach dieser Auseinandersetzung geradezu lächerlich wirkte, erfüllt von stummem Spott, und ging zurück zu seinem hohen, kräftigen Pferd. Mit einem Sprung saß er im Sattel. Und dann geschah etwas, was Baron von Sencken fassungslos werden ließ – auch später, wenn er es immer wieder erzählte:
Leo Kochlowsky ritt einen Bogen, kam zurück, fiel in einen gestreckten Galopp und setzte über die weiße Umzäunung des Dressurplatzes. Die Sprungkraft seines Pferdes war gewaltig, Leo hatte sie oft erprobt, wenn er es über Bäche, Wassergräben oder gefällte Baumstämme springen ließ.
Noch aus dem Sprung heraus galoppierte er weiter, erreichte Jan Pittorski, der gerade elegant in eine Piaffe stieg und so konzentriert war, daß er gar nicht bemerkte, was da geschah. Erst als Leo neben ihm war und Jans Pferd scheute, weil der andere Gaul mit dem Kopf gegen seinen Hals stieß, erkannte Pittorski die Gefahr. Aber auszuweichen war ihr nicht mehr.
»Du Rotzkerl!« brüllte Kochlowsky. Seine Peitsche zischte durch die Luft und traf Pittorski in den Nacken, weil dieser sich im selben Augenblick über den Hals seines Pferdes duckte. Dann galoppierte Leo weiter. Das Ganze war wie ein Spuk gewesen. Sein großer Gaul setzte auf der gegenüberliegenden Seite wieder über das Gatter und raste mit seinem Reiter davon.
Mit offenem Mund hatte Baron von Sencken diesem unfaßbaren Schauspiel zugesehen.
Pittorski heulte auf wie ein Wolf. Kochlowsky zu verfolgen war unmöglich. Pittorski saß auf einem Dressurpferd, aber nicht auf einem Renner. Er griff sich in den Nacken, wo der Peitschenhieb brannte, und sein Herz glühte vor Mordlust. Mit gesenktem Kopf ließ er sich von seinem Pferd zum Eingang des Dressurplatzes tragen, wo von Sencken ihn in Empfang nahm.
»Das kostet ihn die Stellung!« sagte der Baron mit mühsam beherrschter Stimme. »Pittorski, ich werde heute noch mit Seiner Durchlaucht reden. Haben Sie eine Erklärung dafür? Springt der Kerl Sie an und peitscht Sie! Ist der Mann denn völlig irre geworden? Der ist ja gemeingefährlich!«
»Ich regle das schon, Herr Baron«, sagte Pittorski leise. Die Wut erwürgte ihn fast, als er aus dem Sattel stieg.
»In eine Anstalt gehört der, in eine geschlossene! Das bricht ihm endlich den Hals, Pittorski!«
»Es ist eine Privatangelegenheit, Herr Baron.« Pittorski deckte wieder die Hand über seinen Nacken. Es war, als wüte dort ein Feuer. »Bitte, machen Sie es nicht offiziell …«
»In meiner Gegenwart!« Von Sencken schnappte nach Luft. »So eine unerhörte Frechheit!«
»Wenn … wenn das unter uns bleiben könnte, Herr Baron. Es wissen ja nur wir zwei. Und wenn ich Sie darum bitte, Herr Baron …«
»Eine Weibergeschichte?«
»Ja.«
»Aha! Immer dasselbe! Ist ein Rock so ein Drama wert?«
»Kochlowsky hat sich an meiner Verlobten vergriffen.«
»Und kommt dann auch noch her und haut Ihnen die Peitsche über den Schädel! Man soll es nicht für möglich halten! Der Kerl ist ein Wahnsinniger!«
»Man kann das nicht alles erklären, Herr Baron«, sagte Pittorski vorsichtig. Was da gestern in der Nacht mit Katja passiert war, durfte er auf keinen Fall erzählen. »Kann man den Vorfall nicht vergessen?«
»Vergessen?« Baron von Sencken starrte Pittorski entgeistert an. »Mann, was verlangen Sie da? In meiner Gegenwart wird der Erste Bereiter des Fürsten angegriffen, und ich soll blind sein? Dieser Kochlowsky muß bestraft werden! Exemplarisch! Hier ist Preußen, aber kein Indianerland!«
»Ich bitte nochmals darum, das mir zu überlassen, Herr Baron«, beharrte Pittorski und schluckte mehrmals, als habe der Peitschenhieb nicht seinen Nacken, sondern den
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