Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
sein?«
»Ich habe vorhin einen Schrecken bekommen. Leo läßt mich nicht ins Haus.« Reichert strich sich die grauen Haare aus der Stirn und holte pfeifend Atem. »Jetzt brauche ich einen Schnaps. Am besten einen Kümmel …«
»Bist du nur wegen Sophie zu mir gekommen?« fragte Wanda steif.
»Ja!«
»Gut! Du bekommst deinen verdammten Fuhrmannskümmel, und dann raus mit dir! Ich bin eine anständige Person, die um diese Zeit keine Männer empfängt, und schon gar nicht im Unterrock! Merk dir das!«
»Die Tür stand offen …« Reichert wartete, bis Wanda ihm den Schnaps brachte, sah, als sie sich zu ihm niederbeugte, in ihr zum Platzen gefülltes Mieder und schnalzte mit der Zunge. »Wir … könnten uns noch ein bißchen unterhalten …«
»Nein!« Wanda Lubkenski stemmte die Hände in die Hüften. Sie bot einen Anblick, der zu den bleibenden Eindrücken im Leben eines Mannes gehört. »Was ist mit Sophie? Hast du auch nur eine Sekunde angenommen, Kochlowsky könnte sie bei sich im Haus haben? Welch ein Gedanke! Dazwischen stehe ich! Da müßte er schon mich ermorden! Außerdem hat er sie noch gar nicht zu Gesicht bekommen.«
»Doch. Als ich sie in Pleß von der Bahn abholte.«
»Das war nur ein Augenblick. Nein, keine Sorge! Auf Sophie passe ich auf.« Sie drückte die Kümmelflasche gegen ihren zusammengeschnürten Busen, blickte Reichert herausfordernd an und fragte: »Noch einen Schnaps?«
»Aus der Lage, wo er jetzt ist, trinke ich die ganze Flasche!« sagte Jakob fröhlich. »Komm her, Wanda …«
»Erst die Tür abschließen!« Sie lachte etwas zu laut, warf Reichert die Flasche zu und rannte – jawohl, sie rannte! – zur Tür, um den dicken Riegel vorzuschieben.
Während Sophie Rinne an ihrem Winterschal strickte und Leibkutscher Reichert ergriffen feststellte, daß man zwei oder gar vier Gäule an Deichsel und Zügel besser bändigen konnte als Wanda Lubkenski, hockte Leo Kochlowsky bei heruntergedrehter Lampe am Tisch im Wohnzimmer und wartete. Caesar lag zu seinen Füßen mit dem Blick zur Tür.
Sich schlafen zu legen wagte Leo nicht. Er wollte sich nicht überraschen lassen. Wie er Jan Pittorski einschätzte, würde dieser nicht lange warten, um zum Gegenschlag auszuholen. Er war ein stolzer Pole. Ihn mit der Peitsche zu schlagen war eine Schmach, die ein Leben lang an ihm kleben würde.
Stundenlang grübelte Kochlowsky darüber nach, wie sich Pittorski rächen könnte. Solange er, Leo, sein Haus nicht verließ, war dies fast unmöglich. Das Verwaltergebäude in Brand zu stecken wäre zu aufwendig gewesen. Außerdem war das Risiko zu groß, als Brandstifter entlarvt zu werden. Wie also kam man an Leo Kochlowsky heran, wenn er im Haus blieb?
Bis zur Morgendämmerung saß Leo am Tisch, ärgerte sich, daß Caesar nicht mehr mitwachte, sondern laut zu schnarchen begann, gab ihm viermal einen Tritt gegen die Hinterbacken, wenn er allzu laut röchelte, und nannte ihn ein ›treuloses Vieh‹. Dann schlief er selbst im Sitzen ein, den Kopf auf die Tischplatte gelegt, neben dem rechten Ohr die lange Reiterpistole.
Leo Kochlowsky blieb drei Tage in seinem Haus, behauptete, er habe Fieber, und erledigte die notwendigsten Gutsangelegenheiten durch herumflitzende Boten. Dafür stellte er vier polnische Landarbeiter ab, gab ihnen Handzettel mit, empfing ebenso schriftliche Meldungen aus den verschiedenen Gemarkungen, sah die Zahlenkolonnen der einzelnen Rechnungsführer durch und zeichnete dringend notwendige Bestellungen ab.
Baron von Sencken hatte unterdessen einen schriftlichen Bericht bei Fürst Pleß abgegeben. Die Aufforderung des Fürsten, zu einer Stellungnahme zu erscheinen, beantwortete Kochlowsky mit der durch einen Boten überbrachten Mitteilung: »Melde Euer Durchlaucht untertänigst, daß ich an einer fieberhaften Sommerangina erkrankt bin und das Bett hüten muß!«
Übergeben wurde dem Fürsten diese Meldung von einem der polnischen Arbeiter. Er mußte dazu seinen Feiertagsanzug anziehen, wie er ihn in der Kirche trug.
Kochlowsky rechnete richtig: Nach einigen Tagen hatte Seine Durchlaucht diesen Vorfall längst vergessen. Der Besuch des Königs von Bayern stand ins Haus. Da hatte der fürstliche Haushalt andere Sorgen als Kochlowskys Attacke auf den Ersten Bereiter. Baron von Sencken aber, diese Oberlakaienseele, meinte Leo, würde es nicht wagen, den Fürsten an seinen Rapport zu erinnern.
Der einzige, der zu Kochlowsky vordrang, war Jakob Reichert, aber auch erst am dritten
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