Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Einem Kochlowsky ging man aus dem Weg, wenn man nicht unbedingt mit ihm sprechen mußte. Und trotzdem war da plötzlich jemand, der ihm eine gutgemeinte Warnung zuschickte, anonym zwar, aber im Bestreben, ihm zu helfen. Das war erstaunlich!
Die Schrift ist weiblich, sinnierte Leo, und betrachtete die kleinen, zierlichen Buchstaben. So schreibt kein Mann, auch nicht, wenn er seine Schrift verstellt. Wo aber gibt es ein Mädchen, das Einblick in Wandas Privatleben hat?
Nur in der Küche. Doch da wußte er niemanden, der ihm auch nur einen Funken Sympathie entgegengebracht hätte.
»Caesar, komm mal her!« sagte Leo. Er hielt dem Dobermann den Zettel vor die Nase, ließ ihn schnüffeln und wartete, bis Caesar den Zettel ablecken wollte. »Kannst du den Geruch wiedererkennen? Später? Merk ihn dir gut.« Leo wedelte noch einmal mit dem Zettel vor Caesars Kopf hin und her, legte ihn dann auf den Tisch zurück und war irgendwie betroffen, daß da plötzlich ein unbekannter Mensch aufgetaucht war, der ihm nicht auswich, sondern ihm helfen wollte.
Das war ein neues, ganz merkwürdiges Gefühl, und es beunruhigte Kochlowsky. Gegen Widerstand war er gewappnet, das war sein Leben – aber entgegenkommende Hilfsbereitschaft machte ihn wehrlos.
Nach dem Mittagessen, das ihm eine polnische Magd servierte, ein ältliches, unterwürfiges Mädchen, ritt Leo hinüber zum Hühnerhof. Hier traf er in der Futterkammer Katja Simansky. Sie hockte in der Ecke, zuckte zusammen, als sie Kochlowsky eintreten sah und benahm sich wie ein gefangenes Tier, das Fluchtgedanken hegt und nach einem Ausschlupf sucht. Nicht wie sonst lief sie Leo mit ausgebreiteten Armen entgegen und warf sich an seine Brust, wobei meist ihre Bluse dort aufsprang, wo ihr Inhalt am schönsten war.
Katja blieb sitzen, begann heftig zu zittern und stellte eine große blecherne Futterschüssel auf die. Knie, wie einen Schutzschild zwischen sich und Kochlowsky. Die großen schwarzen Augen der Polin waren noch größer als sonst und voller Angst.
»Was ist denn los?« fragte Kochlowsky und tippte mit seiner Reitpeitsche gegen die Schüssel. Katja drückte sie noch mehr gegen ihre Brust und starrte über den Rand hinweg Leo schreckensbleich an.
»Du mußt gehen«, stammelte sie. »Bitte, bitte … du mußt gehen …«
»Ich muß?« Kochlowskys Stimme hob sich. Das kannte auf Pleß jeder: Noch zwei Atemzüge, und der Herr Verwalter donnerte los. »Ich muß gar nichts! Was ich muß, das bestimme ich! Selbst, wenn ich scheißen muß …«
»Wir uns nicht mehr treffen dürfen, Leoschka …«
»Auch das bestimme ich!«
Er wollte die Schüssel wegreißen, aber Katja umklammerte sie mit beiden Händen und preßte sie an sich. Ihr schönes Gesicht zuckte.
»Er ist zu allem fähig, zu allem, Leoschka!« rief sie verzweifelt. »Er es hat gesagt …«
Kochlowsky ließ die Blechschüssel los und blickte Katja genauer an. Ihr Gesicht schien verschwollen, an der Stirn, unter den langen schwarzen Haaren, waren blaurote Flecken.
»Was ist passiert?« fragte er tonlos. »Katjenka, du sprichst von Jan Pittorski?«
»Ja«.
»Was hat er gesagt? Nun gib schon Antwort! Hat er dir was getan?«
Katja nickte. Sie ließ die Schüssel fallen, streifte mit beiden Händen die Bluse hinunter und drehte sich hin und her. Schultern, Rücken und Brüste waren mit blauen und gelblichen Flecken übersät. Dazwischen zogen sich deutlich lange, dünne blutige Striemen über die Haut.
»Dieser Saukerl!« sagte Leo leise. »Dieses Rotzschwein!«
»Er so lange hat geschlagen, bis ich nicht mehr konnte. Mit einem Knüppel und der Dressierpeitsche er hat geschlagen. Ich ihm alles gesagt, alles … Erst dann er hörte auf. Leoschka, ich konnte es nicht mehr aushalten.«
Sie fiel auf die Knie, kroch zu ihm hin, drückte den Kopf gegen seine Beine und weinte laut.
Erstarrt, mit verkniffenem Mund, die Augen halb geschlossen, streichelte Kochlowsky Katjas Haar und blickte auf die Striemen und Wundmale auf ihrem Rücken. Dann bückte er sich, nahm die heruntergerissene Bluse vom Boden und deckte sie über ihren zitternden Körper.
»Ich … ich mußte es sagen!« schluchzte sie und rieb die Stirn gegen seine Reitstiefel. »Er mich sonst totschlagen …«
»Es ist schon gut«, erwiderte Kochlowsky heiser. »Es ist ja alles gut, Katja. Ich werfe dir ja nichts vor. Du warst sehr tapfer …«
»Ich liebe dich, Leoschka …«
»Ich weiß.« Hier wurde Kochlowsky einsilbiger. Katjas Liebe begann
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