Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
hielt dem Blick des Fürsten stand. Er sah keinen Grund, den Kopf zu senken und demütig zu erscheinen.
»Sie haben gute Fürsprecher, Kochlowsky. Trotz allem, was man über Sie erzählt und weiß … Auch das sollte Ihnen ins Gewissen dringen: Es gibt Menschen, die mögen Sie! Die setzen sich für Sie ein. Die bitten für Sie …«
»Ich … ich bin betroffen, Durchlaucht.« Kochlowsky schluckte krampfhaft.
»Das können Sie auch sein.« Fürst Pleß schlug das Aktenstück zu. »Noch Fragen, Kochlowsky?«
»Nein, Durchlaucht …«
»Dann gehen Sie zum Gut zurück, und bereiten Sie alles für den Besuch des Königs von Bayern vor. Ich will überall die bayerische Flagge sehen! Die ganze Allee zum Gut hinunter!«
»Die Fahnenstangen werden bereits eingerammt, Durchlaucht«, sagte Leo trocken.
»Sie sind doch ein Satansbraten, Kochlowsky!« Der Fürst lächelte breit und lehnte sich zurück. »Wie schön wäre es, wenn Sie die Weiber in Ruhe ließen!«
Mit etwas unsicheren Schritten verließ Kochlowsky das Arbeitszimmer des Fürsten. Im Vorraum stand an einem Schreibpult der Erste Privatsekretär und blinzelte ihm zu.
»Na, Herr Verwalter?« fragte er hämisch. »Wo werden Sie Ihre nächste Arbeit haben?«
»Bei Ihnen!« antwortete Kochlowsky milde. »Ich werde Ihnen Pfeffer in den Hintern blasen!«
Sprachlos, mit offenem Mund blieb der Sekretär zurück.
Langsam stieg Kochlowsky die breite Treppe wieder hinunter zum Ausgang. Die letzten Worte des Fürsten beschäftigten seine Gedanken. Wen gab es da im Hintergrund, der für ihn sprach? Wem lieh der Fürst für solche Dinge sein Ohr? Vor allem aber: Wie kam jener Unbekannte dazu, für einen Leo Kochlowsky zu bitten?
Kann ich nicht selbst für mich sorgen, fragte er sich ingrimmig, und es war typisch für ihn, daß er so dachte. Brauche ich einen Anwalt? Bin ich nicht Manns genug, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen! Ein Fürsprecher … als wenn man entmündigt wäre!
Er marschierte geradewegs in den Wirtschaftstrakt des Schlosses und dort in die Küche. Wanda Lubkenski stürzte sofort auf Leo zu. Natürlich wußte sie längst, daß er beim Fürsten gewesen war.
»Wie war es?« fragte sie atemlos. »Ist alles in Ordnung?«
»Es war immer alles in Ordnung!« bellte Kochlowsky böse. »Nur ihr Dienstspritzen hört immer die falschen Flöhe husten! Wenn man schon etwas auf euer Geseibere gibt! Blamiert hätte ich mich fast! Nichts ist gewesen, du Klatschmaul, du dämliches!«
Er drehte sich um, stampfte aus der Küche und ließ eine völlig entgeisterte Wanda zurück. Erst als er weg war, griff sie zum nächstbesten Gegenstand – es war eine kupferne Pfanne – und schleuderte sie gegen die Wand.
»Das nächstemal laß ich mich eher verbrennen, als dir noch mal zu helfen!« schrie sie. »Und wenn du verreckst, du gemeines Aas!«
Nach dem Mittagessen und nachdem die Küche geputzt war, hatte Sophie Rinne zwei Stunden frei, bis die Vorbereitungen für das Abendessen begannen. Sie stieg hinauf auf ihr Zimmer und blieb betroffen stehen. Vor ihrer Tür lag ein großer Strauß frischer Feldblumen.
Sophie hob ihn auf, drückte ihn an die Brust, schloß ihr Zimmer auf und verriegelte sofort hinter sich die Tür. Dann legte sie die Blumen auf die Fensterbank, setzte sich auf den Stuhl davor, legte die Hände in den Schoß und blickte verträumt auf die Blüten.
Ein Leo Kochlowsky schenkt Blumen … Wie ist so etwas möglich?
Was ist das bloß für ein Mann?
Diese Frage hätte Jakob Reichert beantworten können.
Er erschien am Abend bei Kochlowsky, gab ihm schon an der Haustür einen Fauststoß vor die Brust, drängte den Sprachlosen ins Wohnzimmer und trat mit dem Fuß die Tür zu. So hatte Leo seinen Freund noch nie gesehen.
»Du meine Güte! Hat Wanda dir die Hose wieder hochgezogen? Du benimmst dich ja wie ein Irrer, Jakob.«
»Es ist Schluß!« schrie Reichert. »Ein für allemal Schluß! Was habe ich dir gesagt, Leo?«
»Du hast immer viel gesagt und meistens Quatsch.«
Reichert schnaufte, rang nach Luft, so erregt war er, und stützte sich mit beiden Fäusten auf den Tisch. Kochlowsky ging zum Schrank, holte Reicherts Lieblingsflasche Kümmelschnaps und ein großes Glas heraus.
»Stell die Flasche weg!« brüllte Reichert. »Von dir nehme ich nichts mehr an! Ich schlage sie dir höchstens über den Kopf.«
»Bist du verrückt geworden?« Kochlowsky war jetzt ehrlich besorgt. Er kannte Jakob seit sieben Jahren, noch nie hatte er ihn so
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