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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sah durch den großen runden Spiegel den Meister an. Popolinski, der sehr unter seinem Namen litt und den Leo auch schon in einem seiner unberechenbaren Ausfälle ›Arschwinzling‹ genannt hatte, warf einen Blick auf das dichte schwarze Haar und fand es gepflegt und durchaus noch nicht schnittreif.
    »Sehen Sie nach, Popo«, sagte Kochlowsky ernst, »ob ich irgendwo ein graues Haar habe. Auf dem Kopf und im Bart …«
    »Sie haben nicht eines, Herr Verwalter«, stotterte Popolinski verwirrt.
    »Wann haben Sie das gesehen?«
    »Vor vierzehn Tagen war der Herr Verwalter zum Schneiden und Bartstutzen hier.«
    »Können sich innerhalb von vierzehn Tagen graue Haare bilden?«
    »Möglich ist alles bei Haaren, Herr Verwalter. Vor allem, wenn man sich ärgert …«
    »Ich ärgere mich immer!« Das stimmt nun genau, dachte Popolinski und schwieg, während Leo befahl: »Sehen Sie nach, Popo!«
    »Und wenn ich eines finde?«
    »Sofort ausrupfen!«
    »Mit Wurzel?«
    »Soll ich graue Haare züchten? Natürlich mit Wurzel, Sie Lockenakrobat!«
    Popolinski gab sich alle Mühe. Er suchte Haar um Haar ab, auf dem Kopf, im Bart, im Schnurrbart. Er fand genau vier Stück, die etwas heller schimmerten. Kochlowsky saß wie erstarrt.
    »Vier graue Haare! So fängt es an, Popo!« Er betrachtete die vier dünnen Fäden, die Popolinski auf einem Stück Seidenpapier vor ihn hingelegt hatte. »Das Alter! Es ist deprimierend. Ich bin doch nicht alt! Ich fühle mich wie ein Jüngling! Ich reiße Bäume aus und Ihnen den Hintern auf … Und dann graue Haare! Popo, kommen da noch mehr?«
    »Das kann man nicht sagen.« Den Teufel werde ich tun, dachte Popolinski. Er brüllt mir das ganze Haus zusammen, wenn ich meine, jetzt wüchsen immer mehr. »Die ausgerupften kommen nicht wieder.«
    »Sie weiser Hintern!« sagte Kochlowsky und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen seinen ganzen Stolz – die schwarze, seidig glänzende Haarpracht. »Kann man das nicht aufhalten, das Ergrauen?«
    »Es gibt Haarwässer, die die Wurzeln ernähren.«
    »Her damit! Die größte Flasche!«
    »Aber es gibt keine Garantie.«
    »Wenn ich eine Kartoffel in die Erde stecke, habe ich auch keine Garantie, wieviel ich später ernte! Man muß abwarten.«
    »Das ist es, Herr Verwalter. Abwarten – und keinen Ärger.« Popolinski bürstete noch einmal über das glänzende Haar. »Ärger läßt altern.«
    »Sie sind ein fleißiger, aber blödsinniger Mensch, Popo!« Kochlowsky erhob sich von dem Frisierstuhl. »Mein Beruf besteht nur aus Ärger! Was machen wir, wenn wieder graue Haare kommen?«
    »Ausrupfen, Herr Verwalter«, schlug Popolinski schüchtern vor.
    »Bis ich eine Glatze habe …«
    »Wenn es zu viele werden, kann man färben.«
    »Was kann man?« Kochlowsky sah Popolinski ungläubig an. Jetzt brüllt er gleich los, dachte der Friseur erschrocken. In seinen Augen flimmert es schon.
    »Man kann Kleider färben, Stoffe, Teppiche. Warum soll man keine Haare färben können?« stotterte er.
    »Also anmalen?«
    »Nein. Einfärben. Bei einem Trauerfall macht man aus einem weißen Kleid ein schwarzes Kleid, nicht wahr! Also: aus weißen Haaren schwarze Haare …«
    »Und das ist ungefährlich?«
    »Völlig.«
    Kochlowsky schien über diese Möglichkeit ehrlich verblüfft zu sein. Popolinski atmete auf. »So weit ist es ja noch nicht«, sagte Leo schließlich und setzte seinen Hut auf. »Und Sie halten den Mund über unser Gespräch und die vier grauen Haare, Popo!«
    »Ich bin wie ein Beichtvater, Herr Verwalter.«
    Zufrieden mit dem, was er erledigt hatte, und gleichzeitig sehr nachdenklich, fuhr Kochlowsky in seinem Dogcart zur Gutsverwaltung zurück. Die vier grauen Haare lagen ihm schwer auf der Seele.
    Sophie ist sechzehn, dachte er. Ich bin vierunddreißig. Das ist ein Unterschied von achtzehn Jahren. Jetzt kann sich das sehr bemerkbar machen. Aber wenn ich einmal achtundsechzig bin, wird sie fünfzig sein und Großmutter – da gleicht sich alles aus! Man muß die Dinge aus weiter Sicht sehen …
    Im Stall schirrte er das Pferd aus, klemmte das Paket, das er beim Süßwarenhändler gekauft hatte, unter den Arm und ging zum Haus. Von weitem hörte er Caesar anschlagen.
    »Ruhe, du Memme!« schrie Leo Kochlowsky. Er schloß die Tür auf, zündete die Dielenlampe an und sah auf dem Boden einen Zettel liegen, den jemand unter der Tür durchgeschoben hatte.
    Kochlowsky zögerte. War der Zettel von Reichert oder Wanda Lubkenski? Ich will mich heute nicht ärgern,

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