Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Privatsache, die mit einem Mädchen zusammenhängt …« Leo preßte den Zylinder an sich, daß er knirschte. Wie erklärt man einem Fürsten eine Liebschaft?
»Wie alt sind Sie, Kochlowsky?«
»Vierunddreißig, Durchlaucht.«
»Zum Teufel, warum heiraten Sie nicht?«
»Es hat sich noch niemand gefunden, der dazu bereit wäre …«
»Weil Sie so ein ungehobelter Kerl sind!« Der Fürst blickte in ein Aktenstück. »Ich lese nur einen Satz vor, der in einem Bericht über Sie steht: Um Kochlowsky genau zu charakterisieren: Er besitzt keinen Mund, sondern eine Dreckschleuder! So etwas trägt nicht zur Beliebtheit bei.«
»Durchlaucht!« Nur Ruhe, sagte sich Leo. Nur Ruhe! Er spürte, wie es in seinen Schläfenadern zu pochen begann. Er kannte dieses Tuckern; gegen diesen inneren Druck half nur Brüllen. Aber kann man einen Fürsten anschreien?
Leo, sei ruhig, ganz ruhig, dachte er wieder. Und laut fragte er: »Wer hat das geschrieben?«
»Erwarten Sie, daß ich Ihnen das sage?«
»Ich bin von Neidern umgeben.«
»Das glauben Sie! Sie sehen alle Menschen in Ihrer Umgebung mit mißtrauischen Augen an. Dabei will Ihnen niemand etwas Böses! Ihre Einstellung grenzt fast an Verfolgungswahn, Kochlowsky.«
»Gut III ist das beste Gut, Euer Durchlaucht.«
»Das weiß ich. Ihr Verdienst, Kochlowsky.«
»Verdienste bringen Feinde.« Kochlowsky holte tief Atem. »In Ihrer und meiner Umgebung gibt es eine solche Menge von faulem Pack, eine Ansammlung von hirnlosen Hosenwetzern …« Er schwieg abrupt, umklammerte seinen Zylinder und machte eine stumme Verbeugung. Das war zuviel, Leo, dachte er. Jetzt bist du doch explodiert. Jetzt kannst du gehen.
»Die Dreckschleuder!« sagte der Fürst beinahe gemütlich. »Aber wenigstens eine ehrliche! So ist es, Kochlowsky: Ich weiß, daß man mir mein Geld stiehlt, aber was kann ich dagegen tun? Ich kann nicht jede Amtsstube in Pleß kontrollieren. Ich muß meinen Leuten vertrauen. Nur – wem kann man schon blindlings vertrauen?«
»Ich möchte ganz unbescheiden auf mich hinweisen, Durchlaucht … Wenn man die Bücher von Gut III überprüfen würde …«
»Ich weiß auch das.« Der Fürst beugte sich über den Schreibtisch. »Kochlowsky, warum müssen Sie bloß so ein ekelhafter Kerl sein? Sie sind ein kluger Mensch, können etwas, sind eine stattliche Erscheinung, Ihr Leben ist gesichert … Warum stoßen Sie alle vor den Kopf?«
»Es ist vielleicht ein Fehler, daß ich sage, was ich denke.«
»Ein ganz grober Fehler!«
»Ich kann nicht anders. Wenn jemand ein Rindvieh ist, sage ich ihm, daß er ein Rindvieh ist! – Verzeihung, Durchlaucht …«
»Aber Sie glauben, daß Sie selbst unfehlbar sind, was?«
»Durchaus nicht. Nur – wo ich recht habe, da habe ich recht!«
»Und wer beurteilt das? Doch nur Sie allein, nicht wahr? Kochlowsky, mit dieser Einstellung werden Sie immer einsam sein, immer außerhalb der Welt der anderen, immer – wie Sie sagen – von Feinden umgeben!« Der Fürst klopfte mit den Fingerknöcheln auf das Aktenstück vor sich. »Ich lese es hier ja immer wieder. Es gibt sogar Leute, die zweifeln an Ihrem Verstand …«
»Das ist hundsgemein, Durchlaucht …«
»Schon wieder so ein Ausdruck!«
Leo Kochlowsky nickte schwer. Er hatte verloren. Aber er war trotzdem erleichtert: Er hatte nicht nachgegeben. Er hatte nicht gekuscht, sondern seine Selbstachtung behalten. Er war kein Stiefellecker wie andere geworden. Auch ein Fürst konnte ihn nicht ändern. Dort war Pleß, hier war Kochlowsky – jeder mußte und konnte leben nach seiner Fasson!
»Durchlaucht, verfügen Sie über mich«, sagte Leo gepreßt. »Ich räume das Haus morgen, wenn es nötig ist.«
»Was wollen Sie?« Pleß sah Kochlowsky betroffen an. »Was reden Sie für einen Blödsinn, wo Seine Majestät, der König von Bayern, zu Besuch kommt! Soll ich ihm etwa das Gut zeigen?«
»Gut III?« fragte Kochlowsky mit plötzlich unsicherer Stimme.
»Welches denn sonst?«
»Ich habe gedacht …«
»Auch ein Kochlowsky denkt manchmal etwas Falsches! Sehen Sie mal an! Er hat nicht immer recht, wenn er sich einbildet, recht zu haben! Da haben wir also ein Beispiel, daß ein Kochlowsky nicht unfehlbar ist!«
»Aber es war doch geplant, Durchlaucht …«
»Ein Plan bedeutet noch nicht, daß man ihn auch ausführt!« Fürst Pleß sah Kochlowsky lange an. Es war eine unangenehme, stumme Musterung, von der Leo nicht wußte, was sie ergab. Er stand wie festgewurzelt vor dem Schreibtisch und
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