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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Und jedesmal kam er mit der Meldung wieder: »Nichts. Kein Telegramm aus Nikolai.«
    Aber am Abend hielt eine Mietkutsche vor dem Verwalterhaus, ein Mann in einem langen Reisemantel stieg mühsam aus und näherte sich leicht hinkend der Tür.
    Caesar knurrte, Kochlowsky griff zu seinem Knüppel und öffnete.
    »Da bin ich!« sagte der Mann.
    »Eugen!« Kochlowsky sah seinen Bruder ungläubig an. »Ein Telegramm solltest du schicken, weiter nichts!«
    »Bezahle erst den Kutscher!« sagte Eugen Kochlowsky müde. »Ich habe noch ganze zwei Mark und neunzehn Pfennige! Er will aber einen Taler und zehn Pfennige. Halsabschneider sind das! Vom Bahnhof Pleß bis hierher einen Taler! Wo steuern wir denn hin? Das ist ja eine Inflation!«
    »Wieso hast du kein Geld?« Kochlowsky spähte über seinen Bruder hinweg auf den Kutscher. Der stand neben einem kleinen Pappkoffer und schien diesen nicht eher herausgeben zu wollen, bis er seinen Fuhrlohn hatte.
    »Ich bin ein Dichter!« sagte Eugen stolz. »Auch Schiller hungerte, bis man sein Genie erkannte.«
    »In deinem Alter war Schiller schon tot!«
    »Um so strahlender wird meine Entdeckung sein! Kleiner Bruder, gib dem guten Fuhrmann seinen Taler.«
    Kochlowsky knurrte wie Caesar, ging zu der Kutsche und erkannte nun den Fahrer, der ihm bis dahin den Rücken zugedreht hatte. Es war Philipp Bladke. Es gab ja niemanden in Pleß, der Leo unbekannt war. Verlegen kratzte sich Bladke die Nase.
    »Was bekommst du für die Fahrt vom Bahnhof hierher?« fragte Kochlowsky gefährlich milde.
    »Eine Mark und fünfzig …«, sagte Bladke schnell.
    »Einen Taler und zehn Pfennig …«
    »Ich wußte nicht, daß der Herr mit Ihnen verwandt ist, Herr Verwalter. Natürlich hat Ihre Verwandtschaft Rabatt. Da fahre ich zum Selbstkostenpreis.«
    Kochlowsky griff in die Tasche, holte zwei Markstücke heraus und warf sie Bladke vor die Füße. »Stimmt so, Philipp! Dafür darfst du dich bücken und das Geld aus dem Dreck aufklauben.«
    Bladke zögerte nicht. Bei Geld hört der Stolz auf, dachte er. Und wenn der ›Feldherr‹ mir einen Tritt gibt – ich habe meine zwei Mark. Er bückte sich, grapschte die Markstücke aus dem Staub und grinste breit. Dann stieg er schnell auf den Kutschbock und fuhr ab.
    Kochlowsky kam mit dem kleinen Pappkoffer seines Bruders zum Haus zurück. Eugen stand in der Diele, aufgehalten von Caesar, der zähnefletschend den Weg ins Wohnzimmer versperrte.
    »Ein ungebildeter Hund!« sagte Eugen. »Ich habe ihm eine kurze Ode vorgetragen – er reagierte gar nicht!«
    »Was willst du hier?« Kochlowsky schleuderte den Koffer ins Zimmer. Eugen zuckte zusammen, streifte seinen Mantel ab und warf ihn hinterher.
    »Nun sind sie hin«, sagte er traurig.
    »Wer ist hin?«
    »Vier Eier.«
    »Du schleppst vier Eier mit? Zu mir?!«
    »Ich habe meiner Hauswirtin gesagt: ›Ich fahre zu meinem kleinen Bruder Leo. Er muß sehr krank sein!‹ Da hat sie mir die Eier mitgegeben. Eine gute Seele …«
    »Du solltest mir ein Liebesgedicht telegrafisch zuschicken!« brüllte Kochlowsky.
    »Darf ich mich setzen?« Eugen zeigte auf einen Stuhl.
    »Ja.«
    »Ohne daß der Hund mich beißt?«
    »Nachdem er deine Ode gehört hat, ekelt er sich sowieso vor dir …«
    »Ich habe die ganze Fahrt im Zug gestanden.«
    »Von Kattowitz bis Pleß? War der Zug so voll?«
    »Nein. Ich habe nichts bezahlt. Ich bin im Gang hin und her gegangen und habe den Schaffner jedesmal hoheitsvoll gegrüßt. Das macht Eindruck, Leo.«
    Kochlowsky wischte sich verzweifelt über die Stirn. Eugen war acht Jahre älter als er, überhaupt der älteste Kochlowsky. Die drei Kinder, die nach ihm kamen, zwei Mädchen und ein Junge, starben bei der Geburt oder ein paar Tage später. Erst Leo war wieder lebenskräftig. Um ihn hatte sich Eugen, der große Bruder, rührend gekümmert, und eigentlich war es ihm zu verdanken, daß Leo so prächtig gediehen war.
    Die Mutter starb an Schwindsucht, als er siebzehn Jahre alt war, und seine eigene schwache Lunge verhinderte vor Jahren auch, daß Leo zum Militär einberufen wurde. Später hatte sich das gegeben, Leos Lungen wurden gesund wie die eines Rennpferdes, aber dafür wurde er so amusisch, daß er die poetischen Ergüsse seines Bruders aufgeblasene Stinkereien nannte.
    In Nikolai war man froh, als Leo sich nach seiner Genesung für die Landwirtschaft entschied und als Volontär auf die Güter des Grafen Wilczek im Hultschiner Ländchen ging. Dort lernte er von der Pike auf die

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