Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Kenntnis nahm. »Pralinen fressen! Bist du nun total verweichlicht? Mir das anzutun! Ein Zuckerhund! Halt das Maul! Spiel nicht den Wilden! Das waren die Pralinen von Frauchen, verstehst du? Von unserem zukünftigen Frauchen! Daran mußt du dich jetzt gewöhnen, früher oder später kommt hier eine Frau ins Haus … Oder sagen wir vorsichtig: Später! Es wird ein langer Kampf werden! Und was machst du, du Rabenaas? Du frißt ihre Pralinen auf!«
Er verzichtete darauf, Caesar zu schlagen, stellte den Knüppel wieder in die Ecke und sammelte dann die Überreste der großen Pralinenschachtel ein. Genau sechs Pralinen waren übriggeblieben, alle mit Marzipanfüllung. Es war damit klar, daß Caesar kein Marzipan mochte. Vielleicht stieß ihn der Bittermandelgeruch ab.
Kochlowsky kehrte noch einmal in die Diele zurück. »Ein Feinschmecker bist du auch noch!« schrie er. »Was darf's denn sein? Nougat, Trüffeln, Rumcreme?!«
Caesar sah ihn stumm an, legte die Schnauze zwischen die Vorderpfoten und schloß angewidert die Augen.
Morgens um acht war Leo Kochlowsky wieder auf der Post.
Diesmal saß der Postsekretär Emanuel Block hinter dem Schalter. Der Vorsteher ließ sich nicht sprechen. »Machen Sie das, Block!« hatte er zu dem Sekretär gesagt. »Sie haben ein dickeres Fell. Mich trifft der Schlag, wenn ich diesen Kochlowsky noch einmal sehe! Mein hoher Blutdruck – es könnte mein Tod sein. Sie haben die nötige Ruhe, Block, bitte!«
Auch Emanuel Block kannte Leo natürlich gut. Wer kannte ihn in Pleß nicht? Zu Block sagte Leo ab und zu Klotz, mit der Begründung, seine Beamtensturheit wäre mit der Bezeichnung Block viel zu milde beurteilt, sie wäre schon klotzig.
Das waren so Wortspiele, die man mit dumpfem Ärger schlucken mußte, wenn man auf Leo Kochlowsky traf. Denn sich auf einen Streit mit ihm einzulassen war aussichtslos, man kämpfte von vornherein auf verlorenem Posten.
Postsekretär Emanuel Block sah deshalb mit umwölkter Stirn, wie Kochlowsky das Postamt betrat. Um diese frühe Stunde war noch kein Publikumsverkehr. Das war schlecht, denn falls Leo ausfallend wurde, hatte Block keine Zeugen.
»Ein Telegramm für mich da?« fragte Kochlowsky noch erstaunlich höflich.
»Nein …« Block tat, als ob er Zahlen zusammenaddiere, und blickte nicht auf.
»Sie Nulpe! Wie können Sie das wissen, ohne nachzusehen?« knurrte Leo.
Es geht los, dachte Block und atmete tief durch die Nase. Nulpe, das ist schon eine Beamtenbeleidigung! Bei Kochlowsky jedoch eine milde.
»Telegramme kommen so selten, daß ich sie im Kopf habe …«, sagte Block mit amtlichem Ernst.
»Das ist unmöglich.«
»Was ist unmöglich?«
»Daß mein Bruder nicht antwortet.«
»Ich kenne die Gepflogenheiten Ihrer Familie nicht …«
»Werden Sie nicht frech!« Kochlowsky duckte sich, um durch die Fensterklappe des Schalters sehen zu können. Sekretär Block vermied es, Leo ins Auge zu blicken, er addierte weiterhin Zahlen.
»Meine Familie geht Sie einen Dreck an! Aber ich ahne, daß Ihre Mistpost das Telegramm noch gar nicht ausgeliefert hat.«
»Nehmen Sie sofort den Mist zurück!« sagte Block ruhig, aber scharf. Er hatte wirklich die besseren Nerven.
»Im Gegenteil! Scheißpost!« brüllte Kochlowsky.
»Der Schalter ist geschlossen!« sagte Block amtlich, griff an das Schiebefenster und ließ es herunterfallen. An der Scheibe klebte ein weißes Schild:
»Vorübergehend geschlossen. Preußische Postverwaltung.«
Kochlowsky starrte den gesperrten Schalter an, sah hinter der Scheibe das grinsende Gesicht von Sekretär Emanuel Block und wunderte sich, daß er nicht platzte. Die Situation war nicht mehr zu retten: Kochlowsky war ausgesperrt und konnte sich davonschleichen wie ein Hosenscheißer.
Er wartete noch eine Minute am Schalter, aber Block dachte nicht daran, das Fensterchen wieder hochzuschieben. Provozierend packte er ein Butterbrot mit Blutwurst aus und biß genußvoll hinein.
»Das wird ein Nachspiel haben!« knurrte Kochlowsky. »Du armseliger Beamtenfurz! Ersticke an deiner Blutwurst!«
Mit hochrotem Gesicht stampfte er aus dem Postamt. Block öffnete sofort wieder seinen Schalter, aß aber das Brot zu Ende und war mit sich zufrieden. So muß man ihn behandeln, diesen Grobian, dachte er. Fenster runter und das Herrchen einfach stehenlassen … Allerdings muß man dazu hinter einem Schalter sitzen und Beamter sein.
Viermal schickte an diesem Tag Leo Kochlowsky einen polnischen Knecht zum Postamt nach Pleß.
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