Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
weil ich der unbekannte Louis Landauer aus Nikolai bin und kein Leonardo da Vinci.
»Wann fangen wir an?« fragte Wanda.
»Schon morgen.«
Sophie stieß einen Jauchzer aus, fiel Wanda um den Hals, küßte sie und rannte zur Küche zurück.
»Sie ist noch ein Kind«, sagte Wanda plötzlich mit mütterlicher, Wärme. »So gutgläubig und voller Begeisterung. – Können Sie schweigen?«
Landauer schluckte krampfhaft. Sein Herz hämmerte vor Wonne. »Wie ein luftleerer Raum.«
»Schwören Sie es!«
»Bei allem, was Sie befehlen.«
Wanda sah sich ein paarmal um, als könne man sie belauschen. Sie waren allein im Garten, Ferdinand Jüht war weit weg und harkte den Weg zum Gewächshaus, trotzdem beugte sie sich zu Landauer vor. Ihr gewaltiger Busen bedrängte ihn.
»Ich habe einen Bräutigam …«, flüsterte sie.
»Gratuliere, Madame Lubkenski.«
»Jetzt dürfen Sie Wanda sagen. Es kann sein, daß wir sogar heiraten. Man muß ihm nur etwas Mut machen.«
Das mag wohl sein, dachte Landauer und blickte ergriffen auf das fleischige Gebirge vor sich. Dazu gehören der Mut eines Tigers und die Kraft eines Mammuts! Wer Wanda heiratet, ist durch nichts mehr zu erschüttern.
Er hütete sich jedoch, näher darauf einzugehen, sondern schwieg und wartete ab.
»Können Sie … können Sie auch mich malen?« fragte Wanda fast verschämt. »Heimlich …«
»Warum nicht?« Landauer schnaubte durch die Nase. Der Erfolg schlug über ihm zusammen. »Es ist die Aufgabe der Kunst, das Edle festzuhalten …«
Das war gut gesagt, dachte er. Das hinterläßt Spuren.
Wanda Lubkenski sah sich wieder um und kam noch näher an Landauer heran. Es wurde fast erdrückend. »Ich … ich schäme mich so …«, flüsterte sie.
»Warum? Weil Sie sich malen lassen?«
»Ich habe noch einen Wunsch …«
»Schon erfüllt!«
»Ich … ich möchte so gemalt werden wie auf den … schrecklichen Bildern …«
»Nackt?«
»Nicht so laut!« Wanda drückte ihm die Hand auf den Mund. »Es gibt da ein Bild … Da liegt eine Frau auf einem Kanapee … und hat die Hand so halb davor … So ein Ferkel von spanischem Maler soll es gemalt haben …«
»Francisco Goya. Die nackte Maja …«
»Das ist es! Die Maja!« Wandas Augen flimmerten. »Können … können Sie mich auch so malen – für meinen Jakob zu Weihnachten?«
»Ich kann alles. Wanda, Wanda …« Landauer lächelte breit.
Jetzt waren sie Vertraute, Verschwörer, durch das Band heimlicher Wünsche verbunden.
»Muß man sich für so ein Gemälde wirklich ausziehen?«
»Man muß, Wanda.«
»Dann sehen Sie mich völlig ohne …«
»Wie soll ich Sie in aller Schönheit malen, wenn ich es nicht sehe?« Er warf wieder einen Blick auf Wandas Busen. »Hier reicht die Phantasie nicht aus. Wenn schon ein Bild wie bei Goya, dann auch unter diesen Bedingungen.«
»Und es wird niemand erfahren?«
»Wer sollte es? Ich frage mich nur, wo Ihr Bräutigam Jakob das Bild hinhängen will, damit er es sieht, aber kein anderer.«
»Mein Gott, das stimmt!« Sie sah ihn entsetzt an. »Jeder, der zu ihm kommt, erkennt mich sofort.«
»Ich werde ein Wendebild malen«, sagte Landauer mit einer großartigen Gebärde. »Für den allgemeinen Gebrauch eine Landschaft von Pleß, für die stillen Stunden die nackte Wanda …«
»Sie sind wirklich ein Künstler, Louis«, sagte Wanda Lubkenski ergriffen. »Ein ganz großer Künstler! – Was kostet so ein Bild?«
»Für Sie nur zwanzig Goldmark … Können Sie das aufbringen?«
»Ich habe Ersparnisse!« erklärte Wanda stolz. »Wo denken Sie hin? Die Erste Köchin auf Pleß ist doch kein Habenichts!«
»Und wo soll ich Sie malen, Wanda?«
»Ich kenne im Schloß genügend leerstehende Zimmer mit Chaiselongues, die nie jemand betritt. Dort überrascht uns keiner.«
»Und wenn doch ein Diener hereinkommt?«
»Das ist fast so unwahrscheinlich, wie mir ein Braten anbrennt.«
Wanda Lubkenski hätte das nicht sagen dürfen. Denn gerade an diesem Tag verbruzzelten ihr zwei Täubchen, die der Fürst als Zwischenmahlzeit bestellt hatte.
Auf dem Weg nach Hause begegnete Landauer seinem Freund Eugen Kochlowsky. Leo war draußen auf den Feldern, jagte die polnischen Landarbeiter herum und erkundigte sich so nebenbei bei allen maßgeblichen Stellen, ob im Schloß Besuch aus Frankreich eingetroffen sei.
Das war aber nicht der Fall. Es gab nur einen Französisch-Lehrer für die jungen Prinzen, aber der war über sechzig Jahre alt und schied als Attentäter
Weitere Kostenlose Bücher