Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Landauer mit heißem Herzen. Sechzehn Jahre … und er ist vierunddreißig und ein ausgelebtes Ekel! Über diesem Schreckensgedanken vergaß er völlig, daß er selbst auch schon zweiunddreißig war. Aber ein Künstler – das war ja die Bevorzugung der Natur – altert anders als ein gewöhnlicher Mensch. Louis Landauer fühlte sich ewig jung. »Wo soll ich Sie malen?«
»Wo es Ihnen am besten paßt. Hier oder im Schloß … Sie müssen wissen, welchen Hintergrund Sie brauchen.«
»Ich brauche keinen Hintergrund für Ihr Gesicht«, sagte Landauer gepreßt. Sein Herz verkrampfte sich vor Liebe. »Alles wäre nur eine Beleidigung der Schönheit. Nur der Himmel wird hinter Ihnen sein, der unendliche blaue Himmel … Nur er allein ist würdig, Sie zu umrahmen.«
Sophie schien diese Liebeserklärung nicht zu verstehen, sie lachte ihn fröhlich an und rückte ihr Häubchen zurecht, das sich etwas verschoben hatte. »Ich laufe schnell und sage Wanda Bescheid«, rief sie, raffte den Rock und rannte davon.
Landauer sah ihr nach, lehnte sich dann so weit zurück, wie es bei einem Hocker ohne Lehne möglich war, und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.
»Welch ein Mensch!« sagte er enthusiastisch. »Welche Vollkommenheit! Und so etwas blüht in einem Küchengewölbe!«
Es war fast selbstverständlich, daß Wanda Lubkenski sofort mit Getöse in den Garten walzte, als Sophie ihr sagte, draußen säße ein Maler, von dem sie gemalt werden wolle. Landauer war gerade dabei, einen Zweig des Rosenbusches auszumalen, als er von der Tür her Wandas Stimme hörte.
»Wo ist der Kerl?« schrie sie. »Wie kommt hier ein Maler her? Ah, da sitzt er ja! Bürschchen, ich sage Ihnen …« Dann war sie schon neben ihm, starrte ihn mit wild funkelnden Augen an und erkannte ihn sofort. »Der? Sophie! Sofort zurück ins Haus!«
»Wanda, ich möchte …«
»Ins Haus! Das ist ja einer von der Teufelsbrut! Einer der Wachhunde, die sich Kochlowsky hält! Stimmt das, he?« Sie schob sich zwischen Landauer und die Staffelei, stemmte die Arme in die Hüften und holte pfeifend Atem. »Gibt sich als Maler aus!« keifte sie dann.
»Ich bin einer, Mamsell Wanda.«
»Für Sie Madame Lubkenski!«
Sophie war doch näher gekommen und sah wie ein gescholtener Engel aus. »Warum schimpfst du mit ihm?« fragte sie.
Wanda schnaufte kurzatmig. »Sind Sie ein Freund von Leo Kochlowsky?«
»Nein.«
»Wohnen Sie bei ihm?«
»Ja.«
»Genügt das nicht? Sie sollen ihn bewachen, stimmt's?«
»Ich wußte nicht, was mich in Pleß erwartete«, antwortete Landauer ausweichend. »Jetzt sieht alles anders aus. Er soll auf sich selbst aufpassen.«
»Und wer ist der andere Kerl?«
»Ein völlig harmloser Mensch. Ein Dichter …«
»Ein Maler und ein Dichter als Leibwächter! So etwas Irrsinniges kann auch nur von Leo Kochlowsky kommen!« Sie betrachtete das Rosengemälde, schien dadurch wesentlich milder gestimmt zu werden und drückte das Doppelkinn an. »Sie wollen Sophie malen?«
»Nein. Die Mamsell hat den Wunsch geäußert. Ich hätte mir niemals erlaubt, danach zu fragen.«
»Und was soll das werden?«
»Ein Porträt. Der Kopf.«
»Nur der Kopf?«
»Ehrenwort. Nur …«
»Es gibt da schreckliche Bilder. Ich habe einige gesehen. Lauter nackte Frauen – und alle dick. Dagegen bin ich mager. Ihr Maler seid ein schweinisches Volk!«
Sie muß irgendwo Reproduktionen von Rubens gesehen haben, dachte Landauer und gab durch ein stummes Nicken ihrer Entrüstung recht. Vielleicht den ›Raub der Sabinerinnen‹. Es hat keinen Zweck, mit ihr darüber zu reden. Bloß keine Diskussionen! Man muß ihr immer zustimmen, sonst sperrt sie Sophie ein.
»Ich bin spezialisiert auf Landschaften und Porträts!« sagte er. »Keine Gefahr, Madame Lubkenski.«
Es dauerte aber doch noch eine ganze Weile, bis Wanda davon überzeugt war, daß ein Bild von Sophie, wenn es unter strenger Aufsicht gemalt wurde, keinerlei Gefahr für den unantastbaren Engel bedeutete. Man einigte sich darauf, daß Landauer jeden Tag zwischen drei und fünf Uhr nachmittags hier in dem kleinen Gartenwinkel neben der Küche malen sollte, bei schlechtem Wetter im Magazin der Küche, dort, wo Mehl, Zucker und Gries lagerten. Wenn Wanda nicht frei hatte, würden andere Personen zugegen sein.
Landauer war mit allem einverstanden. Ich sehe sie, dachte er nur. Ich sehe und spreche sie jeden Tag. Und ich werde sie malen, daß die Mona Lisa dagegen verblaßt. Nur wird sie nie so berühmt werden,
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