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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lakaien, mit Wuttke, den Gärtnern, eigentlich brüllt er immer mit den anderen … Aber er hat auch eine warme, tiefe, sanfte Stimme, wenn er mit mir spricht, und das kann keine Verstellung sein. Das ist seine wahre Natur, wie es auch Reichert behauptete, bevor er mit Leo Kochlowsky Krach bekam: Er ist im Herzen so weich, daß er einen stacheligen Panzer seiner Umwelt gegenüber braucht.
    Das erinnert mich an das, was in der Schule unsere Lehrerin erzählte: Es gibt tief unten im Meer Fische, die furchtbar aussehen, wie Fratzen und Teufelsgeburten, und die doch ganz harmlos sind. Sie sehen gerade deshalb so furchterregend aus, weil sie so harmlos sind. Es ist nur eine Abwehr.
    Nein! Ich bin nicht in Leo Kochlowsky verliebt! Das soll man nicht denken. Er ist achtzehn Jahre älter als ich, das ist eine ganze Menge und viel zuviel. Manchmal erinnert er mich an den Prinzen von Nürthing-Babenhausen. Wirklich. Auch der hatte so einen vollen schwarzen Bart und saß so kerzengerade im Sattel wie Leo Kochlowsky. Ab und zu kam er damals bei uns vorbeigeritten, ich war da vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Papa hatte ja das Fuhrgeschäft und einen Mietstall, wo man die Pferde wechseln konnte bei langen Fahrten, und Mama hatte eine Schankstube eingerichtet, wo die Fuhrleute einen Tee oder einen Kaffee bekamen, auch Limonade oder ein Bier oder einen Schnaps, und dazu gab es Linsensuppe oder Quarkplinsen mit selbstgemachter Erdbeermarmelade. Der Raum war immer voll und wie geräuchert von den Pfeifen und Zigarren. Ja, und da kam auch ab und zu der Prinz von Nürthing-Babenhausen angeritten, setzte sich in die Schankstube, trank einen Schnaps, aß einen Teller Linsensuppe, und ich mußte zu ihm gehen, einen Knicks machen und ihm die Hand geben. Dann hat er mich immer gestreichelt, mich an sich gezogen, geküßt und hat mich ›mein Sonnenscheinchen‹ genannt. Und Mama stand dann immer in einer Ecke, wo es besonders dunkel war, und hat geweint. Wenn er fortging, hat er immer gesagt: ›Frau Rinne, ich komme wieder. Schon wegen Ihrer Linsensuppe!‹ Dann legte er hundert Mark auf den Tisch und ritt davon. Er muß damals schon sechzig Jahre alt gewesen sein, und Mama war einunddreißig. Wenn der Prinz wegritt, war sie immer ganz durcheinander. Heute glaube ich, der Prinz ist nur ihretwegen in die Schankstube gekommen und hat Linsensuppe gegessen und Schnaps getrunken. Sonst tut ein Prinz so etwas doch nicht! Das weiß ich jetzt, wo ich in fürstlichen Häusern arbeite.
    Vielleicht hat Mama sogar – welch ein Wahnsinn! – den Prinzen heimlich geliebt – und er war fast dreißig Jahre älter als sie.
    Leo Kochlowsky ist nur achtzehn Jahre älter. Er ist geradezu jung dagegen …
    Mit wem kann man darüber reden? Ich habe doch niemanden. Alle, die ich fragen könnte, sind gegen Leo Kochlowsky! Er hat nirgendwo Freunde.
    Er ist genauso einsam wie ich …«
    Das Leben im Verwalterhaus hatte sich irgendwie verändert. Man konnte es nicht erklären, es war nicht greifbar, es roch auch nicht anders, und trotzdem war nichts mehr so wie früher.
    Es begann schon damit, daß Louis Landauer mutig sagte: »Leo, lassen Sie das dauernde Herumstampfen in den Stiefeln sein. Es ist Feierabend, und hier ist kein Feld. Ziehen Sie die Dinger aus.«
    Kochlowsky verschlug es einen Augenblick die Sprache, und auch Eugen zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern. Da kam auch schon die Antwort, wie erwartet:
    »Es geht Sie einen Scheißdreck an, wann ich meine Stiefel ausziehe!«
    »Sie stören mich aber!« beharrte Louis.
    »Dann setzen Sie sich mit der Fresse zur Wand!«
    »Hier sind keine Polen, denen Sie imponieren müssen!«
    Eugen verdrehte entsetzt die Augen, hüstelte und widmete sich einem Glas Dunkelbier. Seit jeher behauptete er, Malzbier sei die beste Hirnnahrung und schmiere die Nerven.
    »Hat Sie heute ein tollwütiger Floh gebissen?« fragte Leo Kochlowsky böse. »Was ist los mit Ihnen, Louis?«
    »Mich kotzt das alles an!«
    »Was?«
    »Das Schloß, Pleß, das Gut, dieses Haus … vor allem aber Sie!«
    Kochlowsky starrte Landauer entgeistert an und sah dann hinüber zu seinem Bruder. Eugen suchte Halt an seinem Bierglas und stierte ins Leere.
    »Hörst du das, Eugen?« schrie Leo. »Er hat Jauche im Hirn!«
    »Man muß mit Ihnen endlich so reden, wie Sie's am besten verstehen!« Landauer nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Alle sind für Sie ein Dreck, nur Leo Kochlowsky ist es wert zu leben! Die Männer sind Scheißer, die Frauen

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