Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
aus.
Eugen, dem es zu langweilig im Haus geworden war, spazierte in der näheren Umgebung des Gutes herum, begleitet von Caesar, der seine Gefährlichkeit wiederentdeckt hatte und jeden anfletschte, der näher als zwei Meter an Eugen herankam. Seinen wirklichen Herrn Leo übersah er mit hündischer Vornehmheit. Man muß auch beleidigt sein, wenn man ›Wald-und-Wiesen-Bastard‹ genannt wird!
»Was macht dein Gedicht?« fragte Landauer und pfiff dann vergnügt.
Eugen blickte ihn mißtrauisch an. »Nichts! Ich muß diese Sophie erst sehen … Was ist mit dir los? Warum pfeifst du so blöd? Und außerdem falsch.«
»Ich male Wanda Lubkenski …«
»Das ist einfach! Nimm dein Bild von der preisgekrönten Kuh und setze Wandas Kopf drauf …«
»Wenn du nicht Leos Bruder wärst, würde ich dir noch mehr erzählen.«
»Mich interessiert Wanda nicht! Außerdem soll es Fälle geben, wo Brüder so ungleich sind wie Wolf und Gans.«
»Ich male auch Sophie …«
»Nein!« Eugen hielt inne. »Wie sieht sie aus?«
»Himmlisch! Ich male sie für mich. Wenn du sie siehst – ich nehme dich morgen mit –, wirst du überzeugt sein, daß wir alles tun müssen, damit Leo sie nicht in die Klauen bekommt.« Landauer warf Eugen einen scharfen Blick zu. »Wenn du mich verrätst, Eugen …«
»Wir waren uns immer einig«, sagte Eugen Kochlowsky feierlich. »Also: Kein Gedicht für Leo, kein Bild für Leo. Da gibt es nur ein großes Problem.«
»Welches?«
»Wir müssen Pleß verlassen. Wenn wir nichts liefern, schmeißt uns Leo raus!«
»Dann ziehen wir in die Stadt Pleß, Eugen! Auch dort kann man Reklamebilder gebrauchen, und Wanda wird für uns Propaganda machen. Sie kennt dort jeden! Es gibt keine Probleme mehr.«
»Du unterschätzt Leo!« Eugen hakte sich bei Landauer unter. Seit dem Überfall hinkte er heftiger. »Wo er auftaucht, gibt es nur Probleme. Sie sind seine Luft, ohne sie könnte er nicht atmen. – Weiß dieser Engel Sophie, daß ich Leos Bruder bin?«
»Nein!« Landauer hob warnend die Hand. »Und sie darf es auch nie erfahren!«
An diesem Abend nahm Sophie Rinne die Eintragungen in ihr Tagebuch wieder auf. Wie jedes brave, anständige Mädchen ihrer Zeit führte auch sie ein Buch über die kleinen und großen Begebenheiten ihres Tagesablaufs und schrieb alles nieder, was Wanda, Jakob Reichert, Wuttke, die Baronin von Suttkamm oder die Fürstin an für sie Wichtigem gesagt hatten. Auch den Klatsch in der Küche und unter der Dienerschaft trug sie ein, ihre Beobachtungen im Schloß und im Park, in der Kreisstadt oder im Gesindehaus.
Da stand zum Beispiel unter dem 9. August 1887: »Heute abend ist Jakob wieder zu Wanda geschlichen. Morgen früh wird Wanda wieder beim Frühstück einschlafen und behaupten, das käme vom Wetter.«
Wie gut, daß Wanda Lubkenski von diesem Tagebuch keine Ahnung hatte.
Für den heutigen Tag trug Sophie Rinne mit ihrer zierlichen kleinen Schrift einen einzigen Jubelschrei ein:
»Sie glauben alle, ich sei ein großes Kind, und man könne mich wie ein Püppchen hin und her tragen, in diese oder jene Ecke setzen, und da bliebe ich brav sitzen und wartete auf die Dinge, die man mir vorführt.
Ich habe sie jetzt alle getäuscht und besiegt. Alle! Wie ich mich freue!
Warum lasse ich mich von diesem Landauer malen?
Um das Bild später Leo Kochlowsky zu schenken.
Als ich den Maler sah, habe ich sofort daran gedacht, und geschickt habe ich es arrangiert, daß er mich malt und glaubt, mich überredet zu haben. Später, wenn das Bild fertig ist, werde ich ihn überzeugen, daß es nur bei mir hängen kann, und er wird es mir überlassen.
Was mache ich mit dem Dichter, den ich morgen kennenlerne? Es ist tatsächlich merkwürdig, mit welchen Leuten sich Leo Kochlowsky umgibt. Ausgerechnet er bezahlt zwei Künstler, die ihn beschützen sollen. So hat es Jakob jedenfalls berichtet. Maler und Dichter sind Leos Leibwächter. Das klingt fast wie ein Märchen.
Am meisten freue ich mich, daß ich von ihnen jetzt viel über Leo Kochlowsky erfahren werde. Wie er lebt, was er am liebsten ißt, worüber er redet, was seine Pläne sind – ich möchte alles wissen!
Wanda und alle anderen sagen, er sei der gefährlichste Mann von ganz Oberschlesien. Man könne gar nicht mehr zählen, wie viele Frauen seinetwegen weinen. Ich weiß nicht, ob man das glauben soll. Als er mit mir sprach, war er ganz anders, als die anderen ihn schildern. Ja, ich habe ihn auch brüllen hören, mit Wanda, mit den
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