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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sorge, Wanda!« sagte Landauer mit belegter Stimme. Das Warten auf Sophie erregte ihn ungeheuer. »Leo ist heute den ganzen Tag in Pleß. Einkaufen und beim fürstlichen Rentamt.«
    »Das ist also der andere!« Wanda musterte Eugen mißtrauisch. Kochlowsky hielt diesem Blick tapfer stand. Er wußte, daß ihn wenig Ähnlichkeit mit seinem Bruder verband. Schon das glattrasierte Kinn schloß jeden Vergleich aus. »Sie sind wirklich ein Dichter?«
    »So ist es, Madame.«
    »Es ist das erste Mal, daß ich einen Dichter sehe.«
    »Sie fliegen ja auch nicht in Schwärmen herum wie die Spatzen. Nur ganz wenige sind auserwählt, das Ohr an Gottes Lippen zu halten.« Eugen strich sich mit dramatischer Gebärde durch seine Haare. »Ich sollte heute eigentlich in Paris sein, wenn mich mein Freund nicht überredet hätte, in Pleß zu verweilen …«
    »Paris!« Wanda Lubkenski hob verzückt den Blick. »Eine Stadt voller Wunder. Ich war dreimal in Paris, mit den durchlauchtigen Herrschaften, und durfte im Palais der Richelieus kochen …«
    Eugen warf einen schnellen, hilfesuchenden Blick zu Landauer. Sie war in Paris, wer konnte das ahnen! Nur weg von diesem Thema, er hatte Paris nie gesehen! Aber in Wanda tauchten hundert Erinnerungen auf, zumal sie damals dreiundzwanzig Jahre alt gewesen war und ein Sergeant der kaiserlichen Garde ihr ständiger Gast.
    »Die Seine …«, sagte sie verträumt.
    »Und die Bäume …« Eugen begann zu schwitzen.
    »Die Boulevards …«
    »Und erst recht die Brücken …«
    »Die Isle de France …«
    »Ha, und die schönen Mädchen. Madame, Sie müssen darunter eines der schönsten gewesen sein, eine weiße Taube unter Sperlingen! Hat man nach Ihnen keine Straße benannt? Wirklich nicht? Diese blinden, arroganten Welschen! Ein Platz wäre Ihrer würdig gewesen. Place Lubkenski … oh, wie das klingt! Welch eine ostische Melodei! Place Lubkenski – was sind die Romanows dagegen …«
    Über Wanda stürzten seine Reden herein wie ein heißer Wasserfall. Sie badete sich darin. Zum ersten Mal in ihrem Leben begegnete sie einem Dichter, und welche Worte fand er sofort für sie! Welcher Klang! Wie plump und ungebildet war da doch Jakob Reichert. Schlich nachts zu ihr in die kleine Wohnung, zog seine Schuhe und die Hose aus und sagte händereibend: »Nun beginnt der Feierabend! Ich komm heute was später, Schatz. Die Lotte von der zweiten Kalesche hat Koliken bekommen. Aber jetzt geht's. Hab ihr den Bauch massiert, und nun furzt se wieder!« – Welch ein ordinärer Kerl gegen diesen feinsinnigen Geist! Place Lubkenski … eine weiße Taube unter Sperlingen …
    »Wie heißen Sie?« fragte Wanda ergriffen.
    »Eugen Hyperion …«
    »O Gott!«
    »Erschrecken Sie nicht. Das letzte ist griechisch.«
    »Sie sind ein Grieche?« Wanda starrte ihn entgeistert an. »Ich habe auch noch nie einen Griechen aus der Nähe gesehen.«
    »Dann machen Sie Gebrauch davon, Madame. Ich stehe Ihnen zur Verfügung, solange Sie wollen. Ihr Sklave, Madame! Unsere griechischen Helden riefen in einem solchen Fall: ›Morituri te salutant!‹«
    »Das waren römische Gladiatoren!« warf Landauer ein.
    »Darunter waren auch Griechen!« sagte Eugen würdevoll und hocherhobenen Hauptes. »Man kann es überall nachlesen.«
    »Was heißt das: Mimitorin …?« Wanda starrte Eugen fasziniert an.
    »Die Todgeweihten grüßen dich …«
    »O Gott, wie grandios …« Wanda war in einem Zustand völliger Auflösung. Was Jakob Reichert nie erreicht hatte, gelang Eugen mit ein paar theatralischen Sätzen: Wanda Lubkenski zerschmolz. Hätte Eugen jetzt den Arm um sie gelegt, wäre sie umgesunken vor Seligkeit. »Ein richtiger Grieche! Und Sie tragen auch die weißen Wadenstrümpfe mit den Troddeln, das Röckchen und die runde Kappe mit dem Quast?«
    »Nur an den höchsten Feiertagen!« Eugen mißachtete die Zeichen, die Landauer ihm hinter Wandas Rücken gab. Er hatte jetzt seine große Stunde. Er wollte endlich wieder einmal erleben, wie seine Worte auf Menschen wirkten, die ein Gefühl für Poesie hatten. »Zum Neujahrsfest, am Geburtstag des Königs, zu Ostern und zum Todestag von Dimitri Heliopolos.«
    »Ein berühmter Mann?«
    »Mein Onkel.«
    »Sie haben ihn sehr geliebt?«
    »Ich habe ihn gehaßt! Er hat zu mir gesagt: ›Eugen, wo deine Dichtkunst aufhört, fange ich mit dem Rülpsen an!‹
    Seitdem trage ich an seinem Todestag Festkleidung!«
    »Wir sind zum Malen hier!« rief Landauer verzweifelt dazwischen. »Jede Minute ist

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