Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Kauf …«
»Auch einen Skandal?«
»Auch den! Wenn ich liebe, dann ist es irrsinnig …«
Du Himmel, welch eine Frau, dachte Kochlowsky. Und so etwas lebt in der sächsischen Provinz. Über diese Bewunderung hinaus aber spürte er auch die Gefahr, in die er geriet, wenn er Blandine verfallen würde.
»Leo, eine Frage!« Sie sah ihn mit ihren schillernden grünen Augen fordernd an. »Würden Sie mich jetzt vor allen Gästen küssen?«
»Nein!«
»Aber ich! Mein Gott, Sie sind wie alle Männer, großmäulig, aber feige! Wer hätte das bei einem Kochlowsky gedacht?«
»Sie denken wohl nie an die Zukunft, was?«
»Nein, nie! Wozu auch? Wir leben heute! Was interessiert mich die Welt in zwanzig oder dreißig Jahren?«
»Auch Sie werden einmal alt, Blandine«, sagte Kochlowsky ziemlich ungalant. Aber es traf sie überhaupt nicht.
»Natürlich – und?«
»Was wird dann sein?«
»Weiß ich es? Vielleicht bin ich dann die Frau eines Geldsackes oder ein lahmes Weib in einem Siechenhaus, vielleicht bewohne ich eine Villa am Elbufer bei Saßnitz oder eine Hütte im Erzgebirge. Soll mich das hindern, heute so zu leben, wie ich es mag? Und wenn ich einmal verschrumpelt an einer Hausecke in der Sonne sitze, kann ich immer sagen: Ich habe mein Leben ausgekostet, das habe ich euch anderen voraus, die ihr jetzt nur in der Ecke sitzt …«
»Ich denke da anders.« Kochlowsky war froh, das Gespräch auf dieses Problem hingelenkt zu haben. »Von der Erinnerung wird man nicht satt. Blandine, möchten Sie etwas vom Büffet?«
»Wie können Sie gräßlicher Kerl jetzt vom Essen reden?«
»Weil ich Hunger habe.« Kochlowsky erhob sich. »Wenn Sie sich kasteien wollen, bitte, das ist Ihr Vergnügen. Mir knurrt der Magen, und ich hole mir jetzt ein Stück Rehrücken mit Preißelbeerkompott!«
»So sind Sie, wie ich Sie mag, Leo!« Blandine bog sich lachend zurück. »Mit dem Kopf durch die Wand. Wann treffen wir uns in Borsdorf?«
Sie lachte noch immer, als Kochlowsky zum Büffet ging und die Gesellschaft registrierte, daß sich dieses schamlose rote Weib und das Ekel von der Ziegelei prächtig verstanden. Da hatten sich zwei getroffen, die man zur Hölle wünschte.
XI
Konnte man es anders erwarten? Der Neujahrsball des Grafen Douglas zog Kreise wie ein ins Wasser geworfener Stein.
Sophie wurde, wenn sie in Wurzen einkaufte, von allen Geschäftsleuten mit besonders mitleidiger Höflichkeit bedient. Nicht anders erging es Oberförster Rechmann, nur wurde man bei ihm – was in Männerkreisen natürlich ist – deutlicher. So formulierte zum Beispiel am Stammtisch der Drogist Manfred Schwinge ganz allgemein: »Wenn ich eine Frau hätte, die ihre Brüste öffentlich auf einem Silberteller serviert, würde ich sie in den Wald zu den Füchsen jagen!« Er spielte damit auf Blandines aufsehenerregendes Dekolleté an und auf die Einblicke, die es bot, wenn sie sich nach vorn beugte.
»Und es gibt Frauen, die erzeugen in einem das Gefühl, daß man mit ihnen im Bett liegt, obwohl man ihnen nur gegenübersitzt!« sagte der Tapetenfabrikant Louis Krachener und leckte sich dabei über die wulstigen Lippen.
»Ja, ja, es gibt schon tolle Weiber!« pflichtete ihm der Biskuitfabrikant Fabricius Bohlen bei. »Knackig, zum Anbeißen – und plötzlich hat man Gift gefressen …«
Förster Rechmann verließ an diesem Abend sehr früh die Stammtischrunde. Man konnte ihm nichts Neues erzählen, denn Blandine hatte ihm genußvoll alles berichtet. Ihr Sadismus ging sogar so weit, daß sie Rechmann sogar Kochlowskys Handform beschrieb und davon träumte, von ihnen gestreichelt zu werden.
»Und die Weihnachtsgans bezahle ich«, sagte sie am Ende. »Was willst du haben? Fünf Mark oder eine Nacht mit mir?«
»Wenn du so billig bist …«, war alles, was Rechmann darauf antwortete. Ihr herausforderndes Lachen beleidigte ihn; er eilte aus dem Haus und fuhr hinaus zu den Winterfutterstellen seiner Rehe. Den Gedanken, Kochlowsky umzubringen, nahm er mit. Allein das besänftigte sein aufgewühltes Innere.
Vier Tage nach dem Ball des Grafen besuchte Leopold Langenbach bei einer Fahrt nach Wurzen wieder Sophie Kochlowsky. Es war das erste Mal seit seinem Hinauswurf an Weihnachten, daß er Sophie wiedersah.
Wie sonst auch bekam er frischen Kaffee vorgesetzt, aß ein Stück vom stets vorhandenen Rosinenkuchen – diesmal gab es ein dickes Stück Stollen dazu, gebacken nach dem Geheimrezept der Wanda Lubkenski aus Pleß – und zum Abschluß ein
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