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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schatzel, mit Grütze bin ich aufgewachsen. Bei uns in Nikolai hingen die Würste sehr hoch, und das Fleisch lag gut beim Metzger … Es gab Biersuppe und Kohlrüben, Sauerkohl und gebratene Buchweizengrütze. Wir haben nie hungern müssen, der Bauch war immer voll – auch ohne Gans oder Fasan, Rinderbraten oder Kapaun.«
    »Es ist also geschehen …«, sagte Sophie ganz ruhig. »Ich habe es gewußt.«
    »Was hast du gewußt?«
    »Wir müssen Wurzen verlassen …«
    »Wir müssen gar nichts!« sagte Kochlowsky laut. »Ich muß gar nichts! Ich gehe freiwillig!«
    Sie nickte, obwohl sie wußte, daß er nicht die Wahrheit sagte. Mit ruhiger Hand nahm sie ihren Löffel und begann ihre Suppe zu essen. Die Kartoffeln kochten auf dem Herd, aus der Küche hörte man ab und zu ein helles Zischen, wenn das Wasser überkochte und auf der Herdplatte verdampfte.
    »Wann ziehen wir aus?«
    »So bald wie möglich.«
    »Wohin?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Kochlowsky sah auf die goldgelben Haare seiner kleinen Frau. Sie hatte sich über ihren Teller gebeugt und löffelte langsam ihre Suppe. »Ich werde in verschiedenen Zeitungen annoncieren. Einen guten Mann kann man überall gebrauchen.« Er aß zwei Löffel Borschtsch, sie schmeckte wie immer köstlich, und doch brannte sie ihm heute im Gaumen. »Deutschland erlebt einen grandiosen wirtschaftlichen Aufschwung, Sophie. Ein gewaltiges Industriezeitalter steht uns bevor! Neue Fabriken schießen wie Pilze aus der Erde. Und überall werden Fachleute gebraucht. Männer, die sich nicht fürchten, neue Märkte zu erobern …«
    »Du bist kein Industriemann, Leo, du bist ein Gutsverwalter. Die Ziegelei war deine erste Stelle außerhalb der Landwirtschaft!«
    »Und wie habe ich das gemacht?«
    »Fabelhaft! Man wirft dich raus.«
    »Nicht, weil ich versagt habe!« schrie Kochlowsky und warf seinen Löffel auf den Tisch. »Hier bin ich von Feinden umgeben! Der Neid der anderen ist wie Bibernagen – und plötzlich fällt der Baum.«
    Es hatte keinen Sinn, weiter mit ihm zu reden. Sophie stand auf, ging in die Küche, goß die garen Kartoffeln ab und dämpfte sie. Dann trug sie die Rouladen, das Bohnengemüse und die in Kümmel geschwenkten Kartoffeln auf und setzte sich wieder. Kochlowsky sah sie fragend an. Er wartete auf ihre Vorwürfe.
    »Ist das alles?« fragte er, als er sah, wie sie wortlos ihre Roulade anschnitt. Erstaunt hob sie den Kopf und blickte über den Tisch.
    »Du ißt doch sonst nie mehr als zwei Rouladen …«
    »Wer redet von den dämlichen Rouladen! – Warum schimpfst du nicht?«
    »Weshalb?«
    »Ich bin arbeitslos! Rausgeworfen! Gefeuert! Wir müssen das Haus verlassen, den Garten, alles! Unsere Zukunft ist ungewiß …«
    »Ist es noch zu ändern, Leo?«
    »Nein!«
    »Warum dann schimpfen? Was bringt uns das? Wird es vielleicht besser durch anklagende Worte? – Wir müssen jetzt kühlen Kopf behalten und sehen, wie es weitergeht!«
    »Du bist eine einmalige Frau«, sagte Kochlowsky kleinlaut.
    »Täusch dich da nicht!« Sie wandte sich wieder dem Essen zu. »Wenn ich nicht die Kinder hätte …« – sie sagte ›Kinder‹ und rechnete das in ihr wachsende schon mit –, »sähe vielleicht manches anders aus. – Komm, iß deine Rouladen. Sie werden kalt. Du hast kalte Soße nie gemocht …«
    Seit diesem Abendessen sprach man nicht mehr über Kochlowskys Scheitern in Wurzen.
    Am nächsten Sonntag fuhr Pastor Maltitz in seinem Wägelchen vor. Es war der erste Sonntag, an dem Sophie dem Gottesdienst ferngeblieben war. Die anderen Gemeindemitglieder, alles brave Christen, waren enttäuscht … Man hätte so gern gesehen, wie sich die Frau des endlich weggejagten Scheusals benimmt. Man hätte ihr allerseits Beileid ausgesprochen, mit einem Grinsen in den Mundwinkeln.
    Pastor Maltitz erwartete nicht, daß man ihn mit Freude empfange würde, aber Kochlowsky überraschte ihn. Er stand bereits in der Tür, als Maltitz aus dem Wagen sprang. »Wenn ich störe«, rief der Pastor, »dann sagen Sie es. Sie wollen doch sicherlich gleich essen …«
    »Ich habe noch keinen Pfarrer gesehen, der deswegen umgekehrt wäre. Sie sind eingeladen.«
    »Danke.« Maltitz gab Kochlowsky die Hand. »Was hat die Künstlerin am Herd denn heute gekocht?«
    »Eine Königsgrütze …«
    »Was ist denn das?«
    »Gries nach Krakauer Art mit Vanille, Rosinen und Eiweißschnee. Im Ofen überbacken und bestrichen mit Sauerkirschmarmelade und Übergossen mit Kirschsaft. Anna Jagiellonka, die

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